Emmerich "Fungarden": Olgas Abrechnung

Emmerich · Drei Tage vor Heiligabend verliest die 9. Große Strafkammer des Landgerichts Kleve einen bitteren Brief der Angeklagten an ihren Lebensgefährten: "Du bist ein Egoist und bleibst auch einer". Die U-Haft bleibt bestehen.

Es hatte, wieder einmal, Streit gegeben zwischen Olga G. und Esed D., und am Ende dieser Auseinandersetzung hatte der Mann seine Lebensgefährtin aufgefordert, ihre Sachen zu packen und zu verschwinden. Olga G. war tief getroffen und schrieb einen Brief, den sie auf dem Küchentisch hinterließ - in deutscher Sprache. Wenn sie wütend sei, so sagte sie, schreibe sie immer in Deutsch.

Bisher ging es in dem Prozess gegen Olga G. (40) und Esed D. (53) vor der 9. Großen Strafkammer des Landgerichts Kleve vor allem um fragwürdige finanzielle Abrechnungen des Bordellbetriebs "Fun Garden". Freitag nun, am zehnten und letzten Verhandlungstag dieses Jahres in dem Mammutprozess, wurde dieser Brief in den Prozess eingeführt — es ist die bittere private Abrechnung einer Frau mit einem Mann, den sie einmal geliebt hat.

Dass dieses private Schreiben verlesen wurde, ist dem Umstand zu verdanken, dass er einiges über das Binnenverhältnis zwischen Olga und Esed aussagt, und das könnte sich durchaus strafmildernd für die aus Russland stammende Frau auswirken.

Nach einigen Schilderungen, wie sehr sie sich ausgenutzt fühle, zieht Olga G. in dem Brief das Fazit: "Ich meine, wir führen eine ziemlich komische Beziehung." Sein Verhältnis zu den Menschen in seiner Nähe laufe nach dem Muster "kommen, benutzen und gehen" ab. In relativ drastischen Worten schildert sie den ausschweifenden Lebenswandel ihres Partners, "aber, ist gut, ich habe dich geliebt".

Vor neun Jahren habe er mit zwei Koffern vor ihrer Tür gestanden - nun besitze er eine Villa und den "Fun Garden", während sie lediglich eine 55 Quadratmeter große Wohnung in Gelsenkirchen habe.

Zum Schluss schreibt sie: "Du bist ein Egoist und bleibst auch einer. Dann besser du bist allein, weil keine Frau mit normalem Verstand macht so etwas mit." Während der Verlesung des Briefs brach Olga G. in Tränen aus, die Verhandlung wurde für einige Minuten unterbrochen.

Das Dokument zeigte auf jeden Fall, dass sich hier keinesfalls zwei gleichberechtigte Partner zusammengefunden hatten. Und ihre untergeordnete Rolle betonte die studierte Betriebswirten auch, als die Strafkammer zu Beginn des Verhandlungstages mit ihr hunderte von Überweisungen durchging, die sie, ihr Partner oder im "Fun Garden" tätige Frauen via Western Union nach Osteuropa gemacht hatten.

"Das hat D. mir so gesagt", dieser Satz fiel mehrfach. Hinterfragt habe sie das nicht. Da das Geld praktisch ohne Ausnahme nicht an Menschen ging, die im Club arbeiteten, könne es sich wohl kaum um Reisekostenvorschüsse gehandelt haben, insistierte der Vorsitzende Richter Christian Henckel. Einer der Zahlungsempfänger war zuvor von einer Zeugin als Zuhälter bezeichnet worden.

Trotz der Aussagebereitschaft von Olga G. fällte das Gericht dem Beschluss, dass die Angeklagte auch weiterhin in Untersuchungshaft bleibt. Der dringende Verdacht auf Steuerhinterziehung bestehe weiterhin, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme spreche dafür, dass es sich bei den im "Fun Garden" tätigen Frauen nicht um selbstständige Unternehmer gehandelt habe— und was den Menschenhandel angehe, stünden erhebliche Teile der Beweisaufnahme noch aus.

Die Verhandlung wird am 11. Januar fortgesetzt.

(dau)
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