Analyse Gesamtschule Das Schlumpfhausen der Ideologen

Emmerich · Nach zwei Jahren zeigt sich, was SPD, Grüne und BGE übersehen haben: Die Gesamtschule wird ein Dauer-Provisorium.

Gesamtschule in Emmerich wird von SPD, Grünen und BGE übersehen
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Als vor zwei Jahren die SPD gemeinsam mit der BGE und den Grünen gegen die CDU eine Gesamtschule in Emmerich durchsetzte, lagen sich die Schulideologen in den Armen und schwärmten von Chancengleichheit für die Kinder, Abitur für alle, Förderung der Schwachen - kurzum: Die Welt würde ein bisschen besser werden.

Doch diejenigen, die damals so vehement das Grab für Haupt- und Realschule schaufelten, müssen mittlerweile erkennen, dass sie ein entscheidendes Detail übersehen haben. Ein neues Haus für die Emmericher Gesamtschule kostet schlappe 55 Millionen Euro. Da zucken auch ihre Schöpfer im Rat zusammen. So viel wollen sie dann doch nicht ausgeben.

Bleibt nur die Improvisation. Weil die Emmericher Politik die Hauptschule nach dem Schuljahr 2018/19 endgültig abgeschafft haben wird - und die Realschule gleich mit -schielt man auf deren Gebäude. Zwischenlösungen mit ausgelagerten Klassen werden nötig, dazu neue Fach- und Aufenthaltsräume. Folglich kommt die Stadtverwaltung zum Schluss, dass der Umbau in diesen beiden Schulen rasch beginnen sollte. Der kostet übrigens "nur" 4,2 Millionen Euro.

Da allerdings haben die Fachleute die Rechnung ohne die lokalen Schulpolitiker gemacht. Und natürlich ohne die Lehrer und Eltern. Denn die wollen alle mitreden, wenn in Emmerich in den nächsten Jahren in zwei Gebäuden drei Schulformen untergebracht sind. Und dann geht es ja auch noch um die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, später mal die Gesamtschule an zwei Standorten zu unterhalten.

Genau genommen sind es übrigens drei. Die Klassen fünf und sechs sollen in die alte Hauptschule, die Klassen sieben bis zehn in die alte Realschule und die Oberstufe ins Gebäude am Brink.

Diese Lösung nennt sich im Bildungsneudeutsch "Schuldorf". Das klingt nach Idylle, Geborgenheit und heiler Welt. Doch dieses pädagogische Schlumpfhausen hat zur Folge, dass Lehrer hin- und herpendeln, wertvolle (Unterrichts)Zeit verloren geht und schließlich die Schüler am Ende ihrer Gesamtschulzeit an bis zu drei verschiedenen Orten unterrichtet worden sind. Wer will das eigentlich für seine Kinder?

Und dennoch wird die Dreierlösung kommen. Auch deshalb, weil es für einen Neubau in Innenstadtlage überhaupt keine geeigneten Grundstücke gibt. Wusste das vor zwei Jahren eigentlich niemand?

Das Schlimme dabei: Die Zersplitterung der Schule ist die bessere von zwei schlechten Lösungen. Denn die Alternative ist ein Neubau, in dem 1200 bis 1500 Kinder und Jugendliche untergebracht sind. Diese Mega-Schule haben damals die Gesamtschul-Befürworter in Kauf genommen. Oder die Augen davor verschlossen. Obwohl - daran sei hier erinnert - Herbert Ulrich von der CDU vor dieser Unterrichtsfabrik gewarnt hatte. Aber dem ehemaligen Leiter eines Gymnasiums unterstellten seine Gegner damals schlicht altertümliche Vorstellungen von Schule.

In dieser verfahrenen Lage tauchen noch zwei Vorschläge auf, die an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden, weil sie nicht mehrheitsfähig sind beziehungsweise an Schulbestimmungen scheitern. Die Grünen wollen, dass Gymnasium und Gesamtschule die Gebäude tauschen. Die BGE beantragte ein gemeinsames Oberstufen-Zentrum der beiden Schulen. Beides will das Gymnasium verständlicherweise nicht.

So ist es also im jüngsten Schulausschuss im Rathaus so gekommen, wie es vorhersehbar war. Einen Beschluss zur Gesamtschule gibt es noch nicht. Die Lage scheint vielen erst am Dienstag klargeworden zu sein. Deshalb tagt in den nächsten Wochen die Emmericher Schulplanungskommission unter Beteiligung von Lehrern und Eltern nichtöffentlich. Erst danach soll die Zeit reif sein für eine politische Entscheidung. Das birgt zwar die Gefahr, dass die Umbauten in den Schulen verzögert werden. Aber immerhin ist die Gesamtschule jetzt wohl raus aus dem Bürgermeister-Wahlkampf. Und das ist gut. Neuerliches Getöse der Ideologen würde das Zusammenfegen dieses Scherbenhaufens noch unerträglicher machen.

(RP)
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