Christian Ehring "Groko lustiger als Karneval"

Emmerich · Christian Ehring sagt, er habe ein Faible für aussterbende Medien. Deshalb arbeitet er fürs Fernsehen. Der 45-jährige Kabarettist ("extra 3" , "heute show") ist mit seinem Soloprogramm "Keine weiteren Fragen" am Donnerstag in Rees zu sehen. Mit der RP sprach er vorab über die Lage der Nation.

Woran hatten Sie zuletzt mehr Spaß: Am Karneval oder an der Groko?

Christian Ehring: An der Groko. Ich bin kein überzeugter Karnevalist. Manchmal mache ich mit und spüre dann doch einen leichten Widerwillen. Wenn ich aber in Hamburg arbeite und die dort viele über Karneval lästern, dann fange ich instinktiv an, ihn als wichtige kulturelle Errungenschaft zu verteidigen.

Liefert die Groko Ihnen die nächsten Jahre genug satirischen Stoff?

Ehring Was die zuverlässige Lieferung anbelangt, hätte ich die Jamaika-Koalition bevorzugt. Im Moment ist zwar viel los: Postenübergabe. Koalitionsvertrag. Aber letztlich steht da vieles drin, was CDU/CSU und SPD auch schon beim letzten Mal vorhatten und nicht umgesetzt haben. Ich befürchte, dass sich ein Gefühl der Lähmung einstellt, wodurch auch ein bisschen das Interesse an Politik und somit an Satiresendungen verloren geht. Also: Wir müssen dagegenhalten!

Ihr Kabarettprogramm heißt "Keine weiteren Fragen". Hätten Sie trotzdem noch eine an Martin Schulz?

Ehring Ich würde ihn gern fragen, warum er dann doch plötzlich Außenminister werden wollte. Wie konnte er davon ausgehen, dass das seine Glaubwürdigkeit nicht beschädigt? Ich habe immer Verständnis dafür, wenn man seine Haltung ändert und das begründen kann. Aber Schulz' Meinungswechsel waren einfach zu keck, als dass sie auf Dauer gut gehen konnten.

Was soll Sigmar Gabriel künftig machen?

Ehring Ich denke, er würde gern Außenminister bleiben. Verstehe ich. Wenn man Familie hat, macht man gern einen Job, bei dem man möglichst lang möglichst weit von zu Hause weg ist. Aber ich würde im Moment nicht mal eine Prognose abgeben, ob die SPD überlebt.

Der umstrittene Paragraf 103 zur "Majestätsbeleidigung" im Strafgesetzbuch wurde abgeschafft. Gibt Ihnen das mehr Freiheit bei der Arbeit?

Ehring Dieser veraltete Paragraph war lächerlich, insofern hat Jan Böhmermann etwas Großartiges erreicht. Das kann sich nicht jeder auf die Fahnen schreiben, dass durch seine Aktivitäten ein Paragraf abgeschafft wurde. Insgesamt befürchte ich aber, dass dieser Skandal unsere Freiheiten eher beschränkt hat. Die Fernsehschaffenden sind, zumindest eine zeitlang, etwas vorsichtiger und ängstlicher geworden. Das haben mir auch viele Kollegen bestätigt.

Können Sie freier reden, wenn Sie - wie am 22. Februar in Rees - auf der Bühne stehen?

ehring Auf der Bühne kann ich den Leuten mehr zumuten. Wir verbringen zwei Stunden miteinander. Da kann ich die Stimmung mal in den Keller sacken lassen oder Irritationen auslösen. Das geht im Fernsehen nicht so gut. Da sollte es klarer, schneller, verständlicher sein, und auch mein Rollenverhalten als Moderator ist etwas anders. Auf der Bühne bin ich autonom und darf mich auf der eigenen Spielwiese entfalten. Und ich entscheide jeden Abend: Das mache ich morgen genauso. Oder wieder anders.

Welche Themen lösen Irritationen aus?

Ehring Interessant wird es bei Themen wie Impfen. Da gibt es Impfgegner im Publikum, die plötzlich sehr ruhig werden. So etwas wiegt viel schwerer als Kritik an Banken, AfD oder katholischer Kirche.

Sie sind in Krefeld aufgewachsen. Hat der Niederrhein Sie geprägt?

Ehring Auf jeden Fall. Der Dialekt, der Menschenschlag, dieser versöhnliche Humor haben mich immer begleitet. Meine frühen humoristischen Prägungen waren Loriot und Hanns Dieter Hüsch. Hüsch gar nicht so sehr inhaltlich, aber die Sprache, das Timing, der Sound. Manches entdecke ich da bei mir heute noch wieder.

Preise wie die Bocholter Pepperoni, den Rostocker Koggenzieher oder den Leipziger Löwenzahn haben Sie schon gewonnen. Mit welchem (noch zu stiftenden) Preis könnten die Reeser Ihnen eine Freude machen?

Ehring Ich würde Rees eher davon abraten, einen weiteren Kabarett- oder Kleinkunstpreis zu stiften. Die gibt es mittlerweile inflationär. Wobei ich natürlich gestehe, dass die Preise am Anfang meiner Karriere eine Ermutigung waren. Ich lehne keinen Preis ab, aber ich finde, der Nachwuchs sollte eher gefördert werden als ich. Und inzwischen bin ich in einem Alter, in dem ich selbst bei der CDU nicht mehr als Nachwuchs durchgehen würde.

Was wissen Sie eigentlich über Rees?

Ehring Ich war ein paar Mal dort, privat zum Feiern bei Freunden. Rees ist eine schöne Stadt. Soweit ich weiß, ist am Niederrhein die Welt noch in Ordnung. Und auch die RP wird eifrig gelesen. Ich werde mich im Vorfeld meines Auftritts noch genauer vorbereiten. Ich finde das immer spannend: Worauf sind die Reeser stolz? Welche politischen Skandale gab es? Es macht Spaß, auf diese Art Deutschland zu entdecken.

MICHAEL SCHOLTEN FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
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