Rees Gülsüm: Daten doch zulässig?

Rees · Dürfen die Protokolle der Telefonverbindungen im Mordfall Gülsüm verwendet werden? Geht es nach der Leitlinie der Staatsanwaltschaften, spielen sie bei einem so schweren Verbrechen durchaus eine Rolle.

Gülsüm: Prozessauftakt am Landgericht Kleve
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Mit Spannung wird die Revision im Mordfall Gülsüm erwartet. Wie berichtet, beschäftigen sich die Anwälte jetzt mit der schriftlichen Urteilsbegründung und werden dazu ihre Stellungnahmen formulieren. Zusätzliche Brisanz ist in das Thema durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zur Vorratsdatenspeicherung gekommen. Denn eben solche Telefondaten hatten im Prozess eine wichtige Rolle bei der Verurteilung des Vaters von Gülsüm als Haupttäter gespielt. Das Landgericht hatte ihn zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Der Anwalt des Vaters hat bereits angekündigt, dass er die Verwertung der Daten für unzulässig hält. Er hat einen Karlsruher Professor als Experten für die Revision eingeschaltet.

In einer Revision geht es vor allem um Form- und Verfahrensfehler, daher ist jedes juristische Detail wichtig. Interessant ist deshalb, wie die Staatsanwälte sich in der Frage der Datenspeicherung positionieren. Von den Generalstaatsanwälten ist eine Richtschnur zu dem Thema erarbeitet worden. Die Leitlinie der Generalstaatsanwaltschaft Berlin liegt der RP vor. Ein Schreiben, aus dem deutlich herauszulesen ist, dass die Behörde der Ansicht ist, dass in bereits laufenden Verfahren die Daten durchaus verwendet werden können. Verbindungsprotokolle dürften durchaus eine Rolle spielen, wenn es sich um Kapitalverbrechen handelt. Und davon ist bei einem Mordfall ja auszugehen.

Die Leitlinie soll auch als Richtschnur für andere Generalstaatsanwaltschaften dienen, heißt es und hat damit offenbar grundsätzliche Bedeutung. Zu internen Vorgaben und konkreten Einzelfällen gibt es keine offizielle Stellungnahme.

Zur allgemeinen Frage, nach welchen rechtlichen Maßstäben bei laufenden Verfahren mit der Verwendung von Telefondaten vorzugehen ist, erläutert Martin Steltner, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin: "Hier muss im Einzelfall vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geprüft werden, ob das staatliche Interesse an der Aufklärung einer Straftat eine Verwertung der Daten erlaubt." Hier müsse immer ein Abwägungsprozess erfolgen.

Zu berücksichtigen sei, dass das BVG es offen gelassen hat, was mit Fällen aus der Vergangenheit passiert. Wenn die Bundesrichter eine Löschung der Daten für nötig gehalten hätten, hätten sie das auch gesagt. Weiter spiele die Schwere einer Tat bei der Abwägung im Einzelfall eine große Rolle. "Zu beachten ist auch, dass das BVG die Erhebung von Vorratsdaten nicht generell als grundrechtswidrig eingestuft hat."

Dass die Staatsanwaltschaften die BVG-Entscheidung eher großzügig auslegen, war zu erwarten. Schließlich ist es im Interesse einer Ermittlungsbehörde, möglichst viele Spuren auswerten zu können.

Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof die Sache beurteilt. Hier wird über die Revision entschieden.

(RP)
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