Rees Gülsüm-Urteil auf der Kippe ?

Rees · Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Speicherung von Telefondaten könnte noch eine wichtige Rolle in der Revision des Mordfalls Gülsüm spielen. Das ist eine Steilvorlage für die Anwälte, heißt es.

Gülsüm: Prozessauftakt am Landgericht Kleve
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Die Auswertung der Telefondaten hat eine zentrale Rolle bei den Ermittlungen im Mordfall Gülsüm gespielt. Mehr als 1000 Verbindungen analysierte die Mordkommission. Ob diese Daten nach der aktuellen Entscheidung des Verfassungsgericht (BVG) überhaupt zulässig waren, ist völlig offen. Das wirft die spannende Frage auf, ob das ganze Urteil auf rechtlich wackeligen Füßen steht. Denn vor allem zwei Telefonate spielten im Prozess eine zentrale Rolle. Einmal der Anruf der Vaters bei der Schwester von Gülsüm, mit der er sie aus der Wohnung schickte, um spät abends noch eine Glühlampe zu holen. Damit war Gülsüm allein in der Wohnung und der Weg für ihren Bruder frei.

Urteilsbegründung basiert auf Telefonat

Die Urteilsbegründung selbst baute Richter Christian Henckel um ein Telefonat auf, das der Vater kurz vor dem Mord mit Gülsüm führte. Die Kammer ist überzeugt, dass die ahnungslose Gülsüm ihrer weggelockten Drillingsschwester ausrichten lassen wollte, dass sie unterwegs sei, um mit ihrem Bruder nach ihrem gestohlenen Fahrrad zu suchen. Dieses Telefonat aber verschwieg der Vater später, als sich seine Tochter nach dem Verbleib ihrer Schwester erkundigte. Für die Strafkammer gibt es dafür nur eine logische Erklärung: "Der Vater wusste, dass Gülsüm unmittelbar nach diesem Gespräch getötet wurde." Damit war für das Gericht bewiesen, dass der Vater der Hintermann des Mordes war. Es verurteilte ihn zu lebenslanger Haft.

Rechtskräftig ist allerdings erst das Urteil gegen den Drillingsbruder von Gülsüm, der zu 9,5 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Anwälte des Vaters und des mitangeklagten Russen gingen in Revision. Und im Revisionsverfahren spielen Rechts- und Verfahrensfehler eine entscheidende Rolle. Mancher sieht daher in dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung eine "Steilvorlage für die Anwälte". Denn ohne die Telefondaten hätte es wohl keine Verurteilung gegeben. Gerhard van Gemmeren, Sprecher des Landgerichts Kleve, bestätigt, dass es durchaus denkbar ist, dass die BGV-Entscheidung noch unmittelbaren Einfluss auf die Revision im Ehrenmord haben könnte. "Fakt ist, dass die Telefondaten eine zentrale Rolle gespielt haben. Es bleibt jetzt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof die Angelegenheit bewertet." Der BGH hat über die Revision und eine eventuelle Neuaufnahme des Verfahrens zu entscheiden.

Tatsache ist, dass die Ermittler nach der neuen Rechtslage die Telefondaten gar nicht gehabt hätten. Eine Speicherung ist nur bei begründeten Verdachtsfällen zulässig. Da aber keiner der drei Angeklagten zuvor im Visier der Fahnder war, hätte es auch keinen Anlass gegeben, ihre Handydaten aufzuzeichnen. "In diesem konkreten Fall wäre die Strafverfolgung auf jeden Fall erschwert worden", sagt van Gemmeren.

(RP)
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