Rees Halderner saniert altes Schmuckstück

Rees · André Venes aus Haldern hat das denkmalgeschützte, leerstehende Fachwerkhaus an der Hohen Rheinstraße 9 gekauft und will es in Wohnraum umwandeln. Viele Schritte muss er mit der Denkmalbehörde abstimmen.

Haldener saniert Fachwerkhaus
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Foto: Michael Scholten

"Witwe Born" steht noch immer auf dem Klingelschild. Doch die letzte Bewohnerin ist schon lange nicht mehr an der Hohen Rheinstraße 9 anzutreffen. Seit ihrem Tod sind ungefähr 20 Jahre vergangen. 20 Jahre, die dem denkmalgeschützten, leerstehenden Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert nicht gut bekommen sind. Zum Ärger der Nachbarn verfiel es, ohne dass die wechselnden Eigentümer ein geeignetes - und finanzierbares - Konzept entwickeln konnten, um eines der ältesten gewerblich genutzten Häuser in der Innenstadt zu retten.

André Venes aus Haldern stellt sich nun dieser Herausforderung. Der junge Maurer- und Betonbauermeister hat die bislang wenig geliebte Immobilie gekauft und will sie in Wohnraum umwandeln, wobei er Auflagen der Denkmalschutzbehörden einhalten muss. Dass er sich mit alten Gemäuern genauso gut auskennt wie mit Neubauten, hat er im historischen Stadtkern bewiesen: Venes und seine Mitarbeiter haben zum Beispiel die Stufen zum Mühlenturm gebaut und erst kürzlich die Stadtmauer am Froschteich renoviert.

Bereits vor fünf Jahren erstellte er für den Voreigentümer ein Angebot für die Fassadensanierung des Wohnhauses. Diese Baumaßnahme wurde mit den Denkmalbehörden abgestimmt, aber es kam nicht zur Ausführung. "Seither hatte ich das Haus immer im Hinterkopf, aber nur als derjenige, der später eine Rechnung schreiben darf", sagt der Halderner. Dass er das 63 Quadratmeter große Grundstück samt Haus nun selbst gekauft hat, um es an Feierabenden und Wochenenden zu renovieren, hat mehrere Gründe. Er will die Leistungskraft des goldenen Handwerks beweisen, ein Stück Reeser Geschichte vor dem Verfall bewahren und die Optik der Hohen Rheinstraße aufwerten.

Der Maurer- und Betonbauermeister gerät ins Schwärmen, wenn er von der Vergangenheit des Hauses erzählt, das vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auch schon dem 30-Jährigen Krieg getrotzt hat. Erbaut um 1550 auf einem noch älteren Gewölbekeller, weist das Haus einen spätmittelalterlichen Grundriss auf. Es dürfte mit der ursprünglich hallenartigen Raumhöhe im vorderen Teil und dem Kontor im hinteren Teil lange Zeit als schlichtes Kleingewerbehaus zwischen Rhein und Markt genutzt worden sein. "Vielleicht ist es das älteste gewerbliche Bauzeugnis der Handelsstadt Rees", sagt André Venes. Um 1900 wurde es zum Wohnhaus umfunktioniert. Innen wurden Wände und Zwischendecken eingezogen, die Fassade erhielt eine neue Fensterreihe im Obergeschoss.

Unlängst führte André Venes Stadtarchivarin Tina Oostendorp und den Vorstand des Reeser Geschichtsvereins Ressa durch sein Haus. Nicht ohne Hintergedanken: "Ich bin Spezialist für Maurerarbeiten, aber mir fehlt das Händchen für die Aufarbeitung der Geschichte", sagt er und hofft, dass viele Reeser ihm mit Fotos und Erinnerungen weiterhelfen können. Daraus will er ableiten, wie die Fassade vor 100 oder mehr Jahren aussah. Solche Erkenntnisse sollen in die Sanierung einfließen.

Hinter der Fassade war André Venes bereits fleißig und hat Betonböden, Putz, Tapeten und Elektrokabel entfernt. Für diese Arbeiten hat ihm die Stadt Rees als Untere Denkmalbehörde vorab eine denkmalrechtliche Erlaubnis erteilt. Wenn es später um Veränderungen und Erneuerungen an der historischen Bausubstanz geht, zum Beispiel am alten Eichendachstuhl und an den Fachwerkwänden mit bis zu zwölf verschiedenen Steinarten, muss er jeden Schritt mit den Denkmalbehörden abstimmen. Ziel ist es, die charakteristischen Merkmale des Denkmals zu erhalten und gleichzeitig einen modernen Wohnwert zu schaffen. Das ist nur ein Grund, warum das Haus wohl nicht vor 2019 bezugsfertig sein wird. Die Tatsache, dass André Venes beruflich stark eingespannt ist und bald zum zweiten Mal Vater wird, sind zwei weitere Gründe.

Die Familie Venes wird nicht in das Haus ziehen: "Wir haben Eigenturm in Haldern und möchten dort bleiben." Das Haus in bester City-Lage soll vermietet oder verkauft werden. In Frage kommen Singles oder Paare mit maximal einem Kind. Einen Garten, eine Terrasse oder einen Balkon wird das Haus nicht bieten. "Ich als Landei kann mir ein Leben ohne Garten nicht vorstellen, aber meine Frau kommt aus Essen und findet das ganz normal", sagt Venes und ergänzt: "Ein älteres Paar, das oft verreist und viel Fahrrad fährt, aber keine Lust auf Gartenarbeit hat, würde sich hier bestimmt wohlfühlen, zumal der Rhein, der Park am Froschteich und alle Geschäfte gleich nebenan sind."

(RP)
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