Emmericher Fungarden-Prozess "Ich war 18 Jahre, ich habe ihm geglaubt"

Emmerich · Im Auto versteckt nach Deutschland gekommen, mit einem falschen Pass gearbeitet, eine Abtreibung - Ala (24) und der "Fun Gardens"

Razzia in Bordellen in Emmerich
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"Ich war 18, als ich ihn einer Disco kennen lernte. Ich weiß nur, dass er Sascha hieß. Er versprach mir, dass ich 4000 Euro im Monat verdienen könne, wenn ich in Deutschland in einem Club für reiche Leute tanze und mit ihnen Alkohol trinke. Ich habe ihm geglaubt und deshalb die Ukraine verlassen. Ich wusste nicht, dass ich schwanger war und dass mein Leben diesen Weg nehmen würde."

Dieser Weg, er führte Ala M. (24) mit Hilfe von Schleppern durch Osteuropa und schließlich unter der Rückbank eines Autos nach Deutschland - und dort in den Saunaclub "Fun Garden", dessen Geschäftsgebaren Gegenstand eines spektakulären Prozesses vor der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in der Schwanenburg ist.

Ala arbeitete 2007 etwa ein Jahr lang in dem Bordell in Emmerich. Danach war sie noch einmal in Deutschland, um die deutsche Sprache zu studieren. Und am Freitag kam sie von Kiew nach Kleve, um mit ihrer Zeit im "Fun Garden" abzurechnen. Mehr als drei Stunden sagte sie als Zeugin aus, manchmal mit tränenerstickter Stimme, aber ruhig und selbstbewusst.

In Deutschland angekommen, habe sie zunächst bei den beiden jetzt Angeklagten, Olga G. (40) und Esed D. (53), gewohnt. Sie erzählte, wie Olga mit ihr nach der überraschend festgestellten Schwangerschaft in den Niederlanden die Abtreibung vornehmen ließ, und wie sie ihr dann eröffnet habe, dass sie mit Tanzen allein ihre Schulden nicht würde abarbeiten können.

Die Schulden bestanden aus den Kosten für den medizinischen Eingriff, für die Verbringung nach Deutschland und für einen gefälschten estnischen Pass, da sie mit ihren ukrainischen Originalpapieren in Deutschland nicht hätte arbeiten dürfen.

Im "Fun Garden" habe ein strenges Regiment geherrscht. Ihre Arbeitszeiten gingen täglich von 13 Uhr bis sechs oder acht Uhr am Morgen des nächsten Tages. Wenn man nicht habe arbeiten wollen, seien 50 bis 100 Euro Strafe fällig gewesen. Der gleiche Betrag sei auch fällig gewesen, wenn man sich geweigert habe, mit einem Kunden aufs Zimmer zu gehen - eine selbstbestimmte unternehmerische Tätigkeit sieht anders aus.

Ala gab auch an, von den beiden Angeklagten geschlagen worden zu sein. "Esed hat einmal gesehen, dass ich ein Handy hatte, da hat er mich in die Küche geschleppt und die Hand gegen mich erhoben. Mein Kopf schlug gegen einen Stahlkasten, und er nahm mir das Handy und den Pass weg, weil ich gedroht hatte, zur Polizei zu gehen."

In den ersten drei oder vier Monaten ihrer Tätigkeit im "Fun Garden" blieb Ala von ihren Einnahmen offenbar so gut wie nichts, da sie zuerst ihre Schulden in Höhe von mehreren tausend Euro zu tilgen hatte. Dann habe Olga ihr erklärt, von nun an könne sie "normal" arbeiten.

Das sah dann so aus, dass neben dem Strafenkatalog eine ganze Reihe weiterer Abgaben erhoben wurden, angefangen von zehn Euro täglich für "Steuern" bis hin zu einer angeblichen Krankenversicherung, für die sie 350 Euro im Monat gezahlt habe - dennoch habe sie ihre Zahnarztrechnung selbst begleichen müssen. Nach einem Jahr habe sie so viel Geld gespart, dass sie in ihre Heimat zurückfliegen konnte.

Als Ala M. den Gerichtssaal verließ, war die Farbe aus dem Gesicht der angeklagten Olga G. gewichen, und auch Esed D. wirkte angeschlagen. Doch sie mussten noch mehr verkraften. Zunächst erklärte ein Mitarbeiter der Bundespolizei, dass er in einer Fleißarbeit mehr als 700 Telefongespräche, die im Rahmen einer Telefonüberwachung aufgezeichnet wurden, ausgewertet hat. "44 Gespräche sind verfahrensrelevant", so der Beamte. Er sortierte sie in drei Kategorien ein: Gäste/Einnahmen, Anwerbung, Kontrolle/Überwachung. Details wurden noch nicht erörtert.

Dann kam ein zweiter Zeuge der Anklage, Ali E. (40), ein Mitbetreiber des "Fun Gardens" (gegen ihn läuft ein gesondertes Verfahren). Er äußerte sich detailliert zu den Geschäftspraktiken des Lokals - dazu am Montag mehr.

Das Verfahren wird am Dienstag, 9 Uhr, fortgesetzt.

(RP/ac/url)
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