Emmerich Jesiden: Gemeinde fühlt sich bedroht

Emmerich · Im Irak werden Jesiden abgeschlachtet, am Sonntag zeigen sich Vermummte vor dem jesidischen Vereinsheim in Emmerich. Die Polizei spricht von einer Dummheit. Gemeindevorstand will Einsickern von Salafisten verhindern.

 Ali Torun (rechts), Nazim Dogu (links) und Suleyman Demir an der Stelle, an der am Sonntag die Maskierten vorbeifuhren.

Ali Torun (rechts), Nazim Dogu (links) und Suleyman Demir an der Stelle, an der am Sonntag die Maskierten vorbeifuhren.

Foto: Markus van Offern

Der Vorfall ereignete sich am Sonntag um 15.45 Uhr. Im Haus der Jesiden am Ossenbruch waren die Vorbereitungen für eine Trauerfeier im Gange, in der Nachbarschaft fand ein Trödelmarkt statt. Etwa 300 Menschen befanden sich in dem Gebäude und davor. Plötzlich fuhr an dem Haus ein silberfarbener Pkw vorbei. "Drinnen saßen junge Leute, alle hatten Masken über dem Gesicht", sagt Ali Torun, der alles gesehen hat. "Sie hielten an und musterten die Leute. Dann fuhren sie weiter. Alle waren schockiert."

Einige Umstehende riefen die Polizei an, schilderten den Vorfall, gaben das Kennzeichen an und beschrieben den Wagen. Den stellte die Polizei am Mühlenweg, so Suleyman Demir gestern. Er gehört zum Vorstand der jesidischen Gemeinde.

Die Polizei verhörte die Insassen und teilte gestern mit, dass es sich dabei um eine 19-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 20 und 29 Jahren gehandelt habe. Alle wohnen in Emmerich. Sie erklärten gegenüber der Polizei, dass sie den Trödelmarkt am Ossenbruch besucht hätten. Danach seien sie in den Wagen gestiegen. Dort hätten noch Sturmhauben gelegen, die von dem Besuch einer Kartbahn stammten. Die Masken hätten die jungen Leute dann aufgesetzt und seien losgefahren. Die Fahrt habe auch am Haus des jesidischen Kulturvereins vorbeigeführt. Ihr Handeln sei nicht politisch motiviert gewesen.

In ihren Vernehmungen hätten sie erklärt, ihr Verhalten sei dumm und unbedacht gewesen, so die Polizei in einer Pressemitteilung. Die drei Personen besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Eine Überprüfung durch den Staatsschutz soll keine Hinweise auf einen rechtsradikalen oder religiös-fanatischen Hintergrund erbracht haben.

Nach dem Vorfall versammelten sich Hunderte, vornehmlich junge Jesiden auf dem Gelände des Vereins, weil sie einer Bedrohung entgegen wirken wollten . Ein Großteil von ihnen bewegte sich danach in Richtung Nonnenplatz. Es blieb friedlich. Das ist die Lage auch weiterhin. Dennoch sind die Emmericher Jesiden in Sorge. Bereits vor dem Auftauchen des maskierten Trios soll am Morgen ein Bäcker, der das Vereinshaus beliefern wollte, bedrängt worden sein. Das berichtete Suleyman Demir.

Jesiden demonstrieren in Bielefeld
5 Bilder

Tausende Jesiden demonstrieren in Bielefeld

5 Bilder

Mehrere Männer sollen ihn gefragt haben, welcher Religion er angehöre. Als er antwortete, er sei Moslem, soll ihm die Gruppe erklärt haben, er solle verschwinden. Als Moslem solle er nicht mit Jesiden verkehren.

Für den Fall am Morgen liegt noch keine Anzeige vor. Dennoch schließt die Polizei aus, dass es zwischen diesem Vorfall und dem am Nachmittag einen Zusammenhang gibt. Die Jesiden sehen dennoch diese Möglichkeit. In Zeiten, in denen im Irak Jesiden (und Christen) von der sunnitischen Terrorgruppe "Isis" vertrieben und abgeschlachtet werden, ist die Sorge groß, dass Salafisten versuchen, auch in Emmerich Fuß zu fassen. Möglicherweise auch Deutsche, die konvertiert sind. Einige dieser Konvertierten versuchen bekanntlich, ihren neuen Glauben durch besonders radikales Auftreten zu bezeugen.

Der Vorstand des jesidischen Vereins trifft sich am Donnerstagabend mit dem Moscheeverein und der alevitischen Gemeinde. Auch die Stadtverwaltung ist beteiligt.

Ziel des Gesprächs soll eine Strategie sein, um ein Einsickern von Salafisten in der Stadt zu verhindern. "Bislang leben alle in Emmerich friedlich zusammen. Es gibt keine religiösen Fanatiker", sagt Suleyman Demir. "Und das soll auch so bleiben."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort