Rees Kirchliches Leben entstand aus Ruinen

Rees · Erwin Roos wurde am 30. Dezember 1931 in der Reeser Oberstadt geboren. Über die Reeser Geschichte führt er akribisch Buch. Gemeinsam mit der RP erinnert sich der Ehrenmajor des Tambourcorps Rees an alte Zeiten. Zu Pfingsten blickt er auf den Neuanfang der katholischen Jugendarbeit.

Als der Zweite Weltkrieg am 8. Mai 1945 zu Ende ging, lag Rees in Schutt und Asche. Einige Menschen hatten trotz der vielen Bombenangriffe ausgeharrt, andere kehrten nun in die Stadt zurück, die zu mehr als 90 Prozent zerstört war. Sie hausten in Kellern, Garagen, Gartenhäusern und Stallungen. Auch die katholische Pfarrkirche war durch den Bombenangriff vom 16. Februar 1945 komplett zerstört. Doch die Menschen sehnten sich nach gemeinsamen Gottesdiensten. Jetzt mehr als je zuvor.

Die ersten Gottesdienste fanden in der Schreinerei Vennemann am Melatenweg statt. Parallel begannen die Bürger, im Hotel Holzum eine Notkirche einzurichten. Die Familie Holzum stellte den "Ballsaal" zur Verfügung. Die Gaststätte hatte ihren Betrieb eh noch nicht wieder aufgenommen, weil das Hotel voll mit Bürgern war, die in der Innenstadt ausgebombt worden waren. Die Notkirche wurde mit Stühlen eingerichtet, die zum Inventar des Ballsaals gehörten. Auch Bänke, die in den Schutzbunkern als Sitzgelegenheiten bei Luftangriffen genutzt worden waren, wurden aufgestellt. Die Schwestern aus dem Kloster Haus Aspel stellten weitere Kirchenbänke zur Verfügung. Das Mittelschiff ihrer Kapelle war im Krieg stark beschädigt worden. So waren die Bänke in der Reeser Notkirche gut und sicher aufgehoben.

Der damals in Rees tätige Kaplan Heinrich Rademacher war sehr daran interessiert, dass auch die Jugendarbeit wieder in Gang kam. Da sich zunächst kein Gruppenraum finden ließ, teilten die Schwestern, die täglich von Aspel nach Rees kamen, um im Krankenhaus für Ordnung zu sorgen, den Jugendlichen einen Raum im Krankenhaus zu. So begann allmählich der Aufbau der Gruppenarbeit in der KJG, die während des Dritten Reiches verboten war. Zunächst richtete sich das Angebot nur an ältere Jugendliche, wenig später wurden auch die Jungen ab zehn Jahren in die Gruppenarbeit eingebunden.

Hans Lehmann wurde zum Pfarrjugendführer ernannt und betreute die Jungen im Alter von 14 bis 15 Jahren in der Don Bosco Gruppe. Erwin Roos wurde die St. Georg Gruppe zugeteilt, in der die 10 und 11 Jahre alten Jungen organisiert waren. Das damalige Kreisjugendamt in Wesel stellte den Jugendgruppenleitern offizielle Ausweise aus. Das war eine Anordnung der englischen Militärbehörde. Eine Kopie des Ausweises mit der Nummer 160123 hat Erwin Roos noch heute in seinen Unterlagen.

Die Angebote in den Gruppen waren abwechslungsreich. Sie spielten Fußball auf dem alten Sportplatz und sangen Fahrten- und Wanderlieder. Einige Jungen wollten auch Tischtennis spielen. Sie trafen sich immer sonntags nach dem Gottesdienst auf der Bühne des Reeser Kinos, das direkt neben der Notkirche stand. Ihr Trainer war Ferdi Dieckmann.

Wie eine Bombe schlug auch in Rees die Nachricht aus Münster ein, dass Bischof Kardinal Graf von Gahlen am 22. März 1946 gestorben war. Einige Jungen der KJG wollten bei der Beisetzung unbedingt dabei sein. Mit dem Zug, der damals noch von Empel bis Münster fuhr, fuhren sie, in Begleitung von Kaplan Heinrich Rademacher, in die Domstadt. Ganz problemlos war die Reise nicht. Weil zwischen Rhede und Rhedebrügge eine Brücke gesprengt war, mussten alle Passagiere aussteigen und den Bach zu Fuß überqueren, um auf der anderen Seite in eine andere Bahn zu steigen. Die Gruppe blieb über Nacht in Münster und verfolgte am nächsten Tag die Beerdigung des beliebten Kardinals. "Es war sehr ergreifend", erinnert sich Erwin Roos.

Im Laufe des Jahres 1946 normalisierte sich das Leben in der Reeser Pfarrgemeinde. Alle hatten sich mit der Notkirche im Hotel Holzum abgefunden, mittlerweile hatten auch die anderen kirchlichen Vereine wie Kolping, KAB und die Frauengemeinschaft ihre Arbeit wieder aufgenommen. Im Oktober 1946 sagte sich hoher Besuch aus Münster an. Weihbischof Dr. Roloeffs kam zur Firmung nach Rees und schlug sein Quartier im Kloster Aspel auf. Mit einer Kutsche wurde er dort morgens abgeholt, eine Reiterstaffel und eine Fahrradgruppe, die ihre Räder mit buntem Krepppapier geschmückt hatte, begleiteten ihn nach Rees.

Aufgezeichnet von Michael Scholten. Die Reihe wird fortgesetzt.

(RP)
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