Emmerich "Missverständnis" kostet Natur und Geld

Emmerich · An der Ausfahrt der Autobahn 3 sind im Winter sämtliche Bäume gefällt worden. Das war ein Fehler, wie sich jetzt herausgestellt hat. Und das nicht nur mit Blick auf die Natur: Die Kosten der Aktion trägt schließlich der Steuerzahler.

 Rüdiger Helmich von den Baumfreunden. Er hat die Folgen des Kahlschlags an der A 3 fotografiert. Auch dicke Bäume fielen der Säge zum Opfer.

Rüdiger Helmich von den Baumfreunden. Er hat die Folgen des Kahlschlags an der A 3 fotografiert. Auch dicke Bäume fielen der Säge zum Opfer.

Foto: Privat/mvo (archiv)

Der Kahlschlag an der Ausfahrt der A 3 hat viele Augenzeugen geschockt. Vorher gab es da ein richtiges Wäldchen. Dann sollte die Fläche "gepflegt" werden. Das heißt eigentlich: Gehölze in der Nähe der Fahrbahn werden gekappt. Bäume, die auf die Straße fallen könnten, werden gefällt, und der gesamte Bewuchs wird ausgedünnt. Stattdessen aber wurde das ganze Areal komplett leergeschnitten. Kein Baum blieb mehr stehen.

Es war Rüdiger Helmich von den Emmericher "Baumfreunden", der die Sache publik gemacht und von Anfang an angeprangert hat. Und inzwischen gibt es keinen Zweifel mehr darüber, dass ein Fehler begangen wurde. Das bestätigen alle zuständigen Stellen.

Es habe sich um ein "Missverständnis" gehandelt, erklärt das Landesumweltministerium. Die Bauüberwachung vor Ort habe auch die Bäume im Zentrum der Fläche als "nicht mehr standsicher eingestuft" und "ungeachtet der fahrbahnabgewandten Lage" ebenfalls gefällt. "Diese Vorgehensweise entspricht weder aus Sicht des Verkehrsministeriums noch des Umweltministeriums den einschlägigen fachlichen Hinweispapieren."

Die Untere Landschaftsbehörde war über die Maßnahmen nicht einmal informiert. Sie hat die Komplett-Rodung nachträglich bemängelt. Ebenso wie die höhere Landschaftsbehörde der Bezirksregierung Düsseldorf.

Vergeben worden war der Auftrag zur Gehölzpflege von der Landesbehörde Straßen NRW. Und auch dort heißt es ganz klar: "Da hätte so nicht passieren sollen, eindeutig nicht. Das war ganz klar ein Missverständnis." Ein Missgeschick, das das Land bares Geld kostet. "Es sind in der letzten Pflegeperiode nicht alle Flächen gepflegt worden, die wir vorgesehen hatten", erklärt Norbert Cleve von der zuständigen Autobahnniederlassung. "Wenn dieser Bereich nicht ganz freigeschnitten worden wäre, dann hätte man eventuell an anderer Stelle weitere Flächen abarbeiten können. Dafür werden jetzt weitere Verträge ausgeschrieben." Wie groß der entstandene Schaden ist, konnte er aber nicht beziffern.

Die Schuld an der Sache sieht Straßen NRW ausdrücklich allein bei sich selbst. Vor Ort tätig war das Mülheimer Garten- und Landschaftsbauunternehmen Boose. Tatsächlich habe seine Firma ausschließlich auf Veranlassung von Straßen NRW gehandelt, so Inhaber Stephan Boose. "Die Bäume sind markiert worden durch Straßen NRW, und nur die, die markiert waren, haben wir abgesägt", stellt er fest. Allerdings sei die Einschätzung der Behörde aus seiner Sicht schon richtig gewesen: "Die Bäume waren nicht mehr standsicher, das ist korrekt. Da war ein Pflegerückstand."

Bei Aufträgen zur Gehölzpflege geben Unternehmen ihre Angebote immer nach einer Mischkalkulation ab: Sie rechnen die Arbeit, die anfällt, gegen das Holz auf, dass dabei abfällt und das sie selbst behalten dürfen. Das nährt den Verdacht, Straßen NRW könnte Aufträge günstiger vergeben, wenn bei einem Stück Land mehr Holz als "Bezahlung" freigegeben wird. Aber diese Rechnung gehe nicht auf, meint Stephan Boose. "Wenn Sie zehn Bäume fällen statt einem, bedeutet das mehr Holzerlös, aber auch mehr Arbeit", sagt er. "Von der Kalkulation her ist das egal."

Der Emmericher Fall wird nun Folgen haben. Das Verkehrsministerium versichert, es werde ihn "zum Anlass nehmen, die Verantwortlichen eindringlich auf die Einhaltung fachlicher Vorgaben und Richtlinien hinzuweisen, um derartige Vorkommnisse in der Zukunft zu unterbinden."

Und es gibt neue Vorschriften. Ein Hinweispapier "für die Gehölzpflege an Bundesfern- und Landesstraßen" sei in NRW seit kurzem gültig, teilt das Landesumweltministerium mit. "Zukünftig wird das bislang praktizierte abschnittsweise ,auf den Stock setzen' der Gehölze" - das ist das komplette Herunterschneiden - "durch eine selektive Durchforstung der Bestände ersetzt werden." Es wird zu erleben sein. Als Nächstes stehen wieder Gehölzpflegearbeiten an der Autobahn an.

(RP)
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