Emmerich Model für einen Tag

Emmerich · RP-Mitarbeiterin Monika Hartjes bewarb sich bei der Hamburger Zeitschrift "Tina". Neun Stunden für die Bilder.

Kleider machen Leute, sagt man. Da meine bevorzugte Bekleidung aus bequemen Jeans und einfachen Pullis besteht, ist da wohl nicht viel zu machen. Gerne wollte ich mal etwas anderes ausprobieren und so bewarb ich mich bei der Frauenzeitschrift "Tina", als diese ein Styling anbot. Ich schrieb eine Email und schickte ein Foto aus dem letzten Mallorca-Urlaub.

Vielleicht fand man mich auf dem Foto ein bisschen "renovierungsbedürftig", auf jeden Fall bekam ich zwei Wochen später eine Antwortmail: "Wir laden Sie für einen Tag nach Hamburg ein zu einer Typberatung mit Styling."

An einem Freitagmorgen Anfang Dezember stand ich vor einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus. In der dritten Etage war ein Kosmetik-Studio untergebracht. Gleich fünf Leute standen dort zu meiner Verfügung: Boris für Make-up und Frisur, Michael und eine Assistentin für die Fotos, Melanie fürs Ankleiden, und Anika hatte die Fäden in der Hand. Ich fühlte mich wie ein Star.

Um neun Uhr ging es zunächst einmal los mit einem Frühstück, danach folgte die "Analyse". Boris schnitt meine "Natur-Frisur" in Fassung und färbte nach. "Unten nicht zu dunkel, das macht alt." "Okay, er ist der Fachmann", dachte ich und ließ ihn einfach mal machen. Er bändigte auch meine "Wellen" und drehte sie zu Locken. Dazu dann das Make-up, wobei ich erfuhr, dass ich unter "Schlupflidern" leide. Aber der Stylist wusste auch da, wie diese schminktechnisch am besten zu behandeln waren.

Nach dem Styling dann das erste Outfit: ein olivgrün glänzendes Kleid, dazu eine graue Weste und lange Ohrhänger. Eine Herausforderung für meine Turnschuh und Sneakers gewohnten Füße waren die 7,5 Zentimeter hohen Pumps. Vorsichtig wie beim Stelzenlauf probierte ich die ersten Schritte - es gelang unfallfrei.

Das war ich? Beim Blick in den Spiegel erkannte ich mich kaum wieder. So schick war ich vielleicht bei meiner Hochzeit, aber da trug ich ein weißes Kleid (und war 35 Jahre jünger).

Dann kam der große Augenblick: Michael hatte die Kamera startbereit und schoss die ersten Fotos. Wie im Blitzlichtgewitter bewegte ich mich nach vorne und hinten, drehte nach seinen Anweisungen den Kopf langsam von links nach rechts und wechselte den Gesichtsausdruck vom zurückhaltenden Lächeln bis zum zähnezeigenden, breiten Grinsen. Zwischendurch unterbrach Boris die Foto-Session. "Halt, das Make-up!" oder "Stop, die Locken!" rief er und wischte mit dem Pinsel über mein Gesicht oder legte mit dem Kamm eine Strähne in die richtige Richtung - eben so, wie man das bei Foto-Shootings der großen Stars erwartet.

Auch bei den nächsten Outfits wurden jedes Mal gefühlte 300 Fotos geschossen, immer sicherer bewegte ich mich trotz wackeliger Pumps auf dem Parkett und bekam viel Lob und Komplimente. "So eine durchtrainierte Figur hätte ich auch gerne", meinten die halb so alten Betreuerinnen Schön, wenn sich die wöchentlichen Aufenthalte auf dem Sportplatz so bemerkbar machen! Mittags gab es zur Stärkung ein Essen vom Italiener, nach kurzer Pause ging es weiter.

Schick fand ich den Lederrock mit den Cowboystiefeln, in denen ich sogar gut laufen konnte. Bequem war der flauschige Rollkragenpullover mit der weiten Marlenehose, extravagant die Blumenbluse mit der Siebenachtel-Lederhose, sehr damenhaft die "Zigarrenhose" mit camel-farbenem Mantel. Leider scheint Größe 38 für Ü55-Menschen etwas größer zu sein als Größe 38 bei jugendlichen Jeans, so dass die Hosen zu weit waren. "Macht nichts, die klammern wir hinten", hatte Anika eine Lösung parat und zog die Falten glatt.

Nach fast neun Stunden Styling, Frisieren, Ankleiden, Auskleiden, Lächeln und "Catwalk" waren die Fotos im Kasten. Als "Gage" gab es eine Tasche voller Pflegemittel "für die reife Haut" und Kosmetika wie Lippenstift, Nagellack und Puder, so dass ich die Tipps zuhause ausprobieren konnte. Es hat mir viel Spaß gemacht, zu sehen, wie ein Haarschnitt, Make-up und Kleidung einen verändern. Toll war auch die Erfahrung, sich dabei ein bisschen wie ein VIP fühlen zu können. Ich habe aber auch gemerkt, dass Modeln ein ganz schön harter Job ist. Meine Gesichtsmuskeln, die für Lächeln und Lachen zuständig sind, litten am nächsten Tag an Muskelkater.

(moha)
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