Emmerich Punk im Museum

Emmerich · Die Sommerausstellung im Klever Museum Kurhaus zeigt verschiedene Positionen der Gegenwartskunst. Die Rheinische Post stellt einige vor: die Raum-Installation von Anne-Lise Coste.

 Kuratorin Susanne Figner vor Anne-Lise Costes Installation im Kurhaus: Chaos und Ordnung, hier die übermalten, verklecksten und verwischten Schriften auf der vollen Wand, daneben ein Liebesgedicht. Am Donnerstag, 13. Juli, 20 Uhr, ist Anne-Lise Coste beim Künstlergespräch im Resonanzraum Kunst.

Kuratorin Susanne Figner vor Anne-Lise Costes Installation im Kurhaus: Chaos und Ordnung, hier die übermalten, verklecksten und verwischten Schriften auf der vollen Wand, daneben ein Liebesgedicht. Am Donnerstag, 13. Juli, 20 Uhr, ist Anne-Lise Coste beim Künstlergespräch im Resonanzraum Kunst.

Foto: mgr

Ein einzelner Satz mitten auf die Wand gesprüht. Sonst nichts. Nur dieser eine, in krakeliger Schreibschrift auf die Wand gesprühte, englische Satz in Augenhöhe. Aber der Satz trägt, füllt die Wand auch inhaltlich - wie ein Menetekel: "Sage mir nicht, dass Worte nichts bewegen" steht dort. Es soll ein Zitat von Barack Obama sein, das die französische Künstlerin Anne-Lise Coste auf die Wand des Raums gesprüht hat, den sie für ihre Einrichtung zur Ausstellung "Inside Intensity" im Kurhaus bekam. Der Satz kann politisch verstanden, kann auch als Statement zu ihrer Kunst gesehen werden: Coste arbeitet mit Schrift, mit Sätzen, mit Worten, die erst im Kopf des Betrachters zu Bildern werden.

Emmerich: Punk im Museum
Foto: Matthias Grass

Die Französin arbeitet in ihren Installationen wie ein Sprayer in der Stadt, der seine Kunde auf die Wand sprüht. Intuitiv.

So stand auch auf der gegenüberliegenden Wand in dem kleinen Raum im ersten Stockwerk des Museums nur ein Satz. Er kündete von ihrer Furcht vor der "Security", der Sicherheit. Dann ging Coste hinaus, kam später wieder. Überschrieb den Satz, strich Worte durch. Fett steht jetzt mitten in einer Wolke aus Worten, Zeichen, Buchstaben, geschwungenen Linien: "I am" (Ich bin) und "F... the Security" (Sch... Security). "Das ist eine resolute Verneinung von Werten wie Sicherheit, Beständigkeit und Schönheit auf mehreren Ebenen", sagt Susanne Figner vom Museum Kurhaus Kleve, die zusammen mit Museumsdirektor Prof. Harald Kunde die Sommerausstellung kuratierte. "Inside Intensity" soll, so Kundes Kalkül, neue Positionen der Gegenwartskunst aufzeigen.

Anne-Lise Coste sei der Punk, sagt Susanne Figner. Punk, weil sie überschreibt, kleckst, kaputt macht, um Neues zu bekommen. "Was Coste in der Folge entwickelt, ist eine persönliche und politische Auseinandersetzung mit heutigen Realitäten", beschreibt Figner die Arbeit. Man findet sie auf der weißen Wand im Museum: Von der "Sicherheit", die derzeit alle politischen Diskussionen bestimmt, über die Flüchtlingsfrage bis zu den alten Grundsätzen der Revolution "liberté, egalité, fraternité" (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit).

Um den Ursprungssatz mit der Sicherheit reihen sich auch Namen, bei denen Musik mitschwingt: Nina Simone, die große Chansonnette, liest man, Debussy steht dort, "la mer", das wiederum an Charles Trenets Chanson, jene Lieberklärung ans Meer, ebenso erinnert, wie an Debussys symphonische Skizzen für ein Orchester. Auch die Worte für die Musik sind wie in einer schmuddeligen Unterführung auf die Wand gesprüht. Punk eben, wie Figner sagt. Denn für Coste stehe "mer" nicht nur für wundervolle Musik, sondern auch für die tödliche Gewalt für die Flüchtlinge, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen.

Zwischen den beiden Wänden mit Obamas Satz und der vollgekrakelten Fläche steht ein Liebesgedicht an "Dich", das den Geliebten ausgehend von seinem Körper bis hin zu seinen Gedanken, seinem Atem, Tod und Leben mit jeweils nur einem Wort beschreibt. Das Gedicht spreche jeden Besucher persönlich an, wenn er den Raum verlasse, sagt Susanne Figner.

Es war das letzte Stück Wand, das die Französin im Kurhaus beschrieb. Sie war samstags, 12.24 Uhr, nur wenige Stunden vor der Eröffnung der Ausstellung, mit ihrer Installation fertig. Für die Installation hatte die 43-Jährige, die in Marseille und Zürich Kunst studierte und später in New York lebte, "Carte blanche". Sie kam, weil sie machen durfte, was sie wollte. Und Coste kam auf den letzten Drücker, fing mit dem einen Satz an, füllte den Raum mit einer für sie so typischen Arbeit: Ordnung und spontane Gesten wechseln sich ab, hier steht der klar formulierte Satz, dort vermengen sich Sätze, Worte, Kleckse und Sprühschatten zum ornamentalen "all-over" über die ganze Wand.

(mgr)
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