Rees Rees sagt "Alltagsmenschen" Lebewohl

Rees · Die Ausstellung ist beendet, gestern wurden die Figuren von Christel Lechner abtransportiert.

Rees: Rees sagt "Alltagsmenschen" Lebewohl
Foto: Michael Scholten

Der Abschiedsschmerz war in der Reeser Innenstadt deutlich zu spüren: "Sie können die Figuren doch nicht einfach mitnehmen", rief eine Frau dem Bauhofleiter Andreas Böing zu, als dieser gerade den sitzenden Betonmann an der Kreuzung Dellstraße/Neustraße mit dem Kran auf die Ladefläche hievte. Eine andere Frau zückte auf dem Marktplatz die Kamera, um ein letztes Mal die vier Nonnen zu fotografieren: "Ich wohne gegenüber vom Krankenhaus, habe sie jeden Tag gesehen und werde sie sehr vermissen", sagte sie.

Um 6.30 Uhr hatten Andreas Böing und drei seiner Mitarbeiter damit begonnen, die ersten "Alltagsmenschen" der Wittener Bildhauerin Christel Lechner, die vier Monate lang in Rees ausstellte, vom Dach der Volksbank zu holen. Zu dieser Zeit war die Dellstraße noch nicht so stark befahren. Um 9 Uhr trafen dann Christel Lechners Helfer mit zwei Mietlastwagen auf dem Reeser Marktplatz ein. "Wir kommen ihnen entgegen, indem wir die meisten Figuren zentral vor dem Bürgerhaus sammeln", sagte der scheidende Kulturamtsleiter Ludger Beltermann, der heute ins Hauptamt wechselt.

 Hier werden die Figuren in einen Lastwagen geladen und auf der Ladefläche gesichert.

Hier werden die Figuren in einen Lastwagen geladen und auf der Ladefläche gesichert.

Foto: Michael Scholten

Die drei Surferinnen und die Springerin von der Rheinpromenade wurden zu den Duschenden und Sonnenbadenden am Findling gebracht, dort später auf die Lastwagen umgeladen. Auch hier standen viele Reeser Bürger, um die Abreise der "Alltagsmenschen" zu fotografieren.

"Dass heute fast jeder ein Handy mit Fotofunktion hat, dürfte entscheidend zum Erfolg der Ausstellung beigetragen haben", sagte Ludger Beltermann. "Vor zehn Jahren, als die Menschen weniger Fotos gemacht haben, wäre die Interaktion mit den Figuren anders ausgefallen."

 Bauhofleiter Andreas Böing und seine Mitarbeiter hieven Figuren mit einem Kran auf die Ladefläche ihres Wagens.

Bauhofleiter Andreas Böing und seine Mitarbeiter hieven Figuren mit einem Kran auf die Ladefläche ihres Wagens.

Foto: Michael Scholten

Deshalb ist ihm auch wichtig, dass der zweite "Alltagsmensch", der neben dem über Crowdfunding finanzierten Schwimmreifenmann Paul gekauft werden und in Rees bleiben soll, nicht im Froschteich schwimmt oder auf einem Dach steht. Bei einer Umfrage landete das "Berliner Paar", das auf dem Damm stand und von dem der männliche Part zweimal mutwillig zerstört wurde, auf dem zweiten Platz in der Beliebheitsskala. Das überdimensionale Figurenduo mit einem Gesamtgewicht von fast 800 Kilo ist aber zu teuer. Auf Platz drei kam die alte Dame mit Hund, die an der Pumpe saß. "Wir wollten sie - wie Paul - direkt in Rees behalten, aber Christel Lechner möchte sie nicht verkaufen, weil diese Figur schon einmal beschädigt war", sagte Ludger Beltermann. "Eventuell wird nun für Rees eine neue Figur gebaut."

Bauhofleiter Andreas Böing, der die "Alltagsmenschen" einst in Telgte entdeckte und für Rees vorschlug, gab sich gestern bescheiden: "Es ist eine Sache, eine Idee zu haben, und eine andere Sache, Leute zu finden, die eine Idee umsetzen." Die Stadt Rees schätzt, dass seit der Ausstellungseröffnung am 24. April fast 150.000 Besucher nach Rees kamen. Die 55.000 gedruckten Flyer waren kürzlich vergriffen, es mussten 2000 Kopien nachproduziert werden.

Die 67 Alltagsmenschen erreichten gestern Nachmittag das "Krankenhaus", wie Christel Lechner ihr Atelier in Witten nennt. Kleinere Risse und Farbabschürfungen bleiben erhalten, größere Brüche und Schäden, die aus Versehen oder mutwillig verursacht wurden, können in den meisten Fällen unsichtbar gemacht werden.

Im kommenden Jahr werden die "Alltagsmenschen" zweimal in je zwei Städten parallel ausgestellt: in Braunschweig, Monschau, Mosbach und voraussichtlich in Westerland auf Sylt. Laut Ludger Beltermann habe Christel Lechner mehrere Anfragen von niederrheinishen Städten abgelehnt, da diese zu nah an Rees liegen und da Rees bereits Interesse an einer weiteren Ausstellung in fünf bis zehn Jahren angemeldet hat. Derzeit ist aber noch fraglich, ob Christel Lechner sich in wenigen Jahren zur Ruhe setzt oder ob sie weitere Ausstellungen in Kooperation mit ihrer Tochter plant.

(RP)
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