"Fungarden" in Emmerich Schrägstrich für eine halbe Stunde

Emmerich · Im "Fungarden"-Prozess geben Buchführungsunterlagen Einblicke in das lukrative Bordell-Geschäft.

Razzia in Bordellen in Emmerich
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Die eingescannten Zettel, die der Beamer in überdimensionaler Größe an die Kopfwand des Saales A110 der Klever Schwanenburg wirft, sind gewissermaßen der bürokratische Nachhall ausschweifender Tage und Nächte im Bordell "Fun Garden". Jedes Mal, wenn im Prozess gegen die beiden Betreiber Esed D. (53) und Olga G. (40) vor dem Landgericht ehemals dort tätige Prostituierte als Zeuginnen aussagen, lässt sich deren Arbeit mit Hilfe der Aufzeichnungen minutiös rekonstruieren.

Handschriftlich wird auf den Zetteln, von denen es pro Tag nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft vier Stück gab, protokolliert, was an Einnahmen zu verzeichnen war. Eine Liste dokumentiert die Tätigkeit der Frauen - sobald sie sich mit einem männlichen Gast handelseinig geworden waren, "ein Zimmer zu machen", wie dies im Jargon heißt, gingen sie an die Theke des Etablissements und holten sich dort einen Zimmerschlüssel ab.

Die Thekenkraft notierte dann Zimmernummer und Uhrzeit und machte dahinter einen Schrägstrich - das Symbol für eine halbe Stunde sexueller Dienstleistungen, für die pauschal 50 Euro zu entrichten waren. Lediglich für einige Sonderleistungen musste zusätzlich Geld gezahlt werden, und für die Zimmer mit Whirlpool wurden 20 Euro "Wassergeld" extra berechnet. Blieb der Gast länger als 30 Minuten auf dem Zimmer, wurde aus dem Schrägstrich ein Kreuz gemacht. Eine Stunde schlug in der Regel mit 80 Euro zu Buche.

Auf den Tageslisten stehen jeweils rund 20 Prostituierte mit ihrem jeweiligen "Künstlernamen". Sie teilten sich ihre Arbeit in Früh- und Spätschicht auf.

Eine der Zeuginnen sagte, sie habe zwischen zwei und fünf Kunden pro Tag gehabt. Jeder dieser Kunden musste außerdem 50 Euro Eintritt bezahlen, oder den ermäßigten Tarif von 35 Euro, wenn er zur so genannten "Happy Hour" den Laden betrat.

Die Summen, die auf diese Weise protokolliert wurden, lassen staunen. Am Vorabend der Durchsuchung sind beispielsweise rund 2900 Euro Einnahmen verzeichnet (und nicht, wie zunächst irrtümlich berichtet 29 000 Euro), für zahlreiche weitere Tage, deren Aufzeichnungen der Staatsanwaltschaft vorliegen, beläuft sich die Summe jeweils auf rund 2000 Euro — mal mehr, mal weniger.

Die Fragen des Gerichts am Dienstag zielten vor allem darauf ab, die Modalitäten von Preisfindung und Abrechnung zu klären. Dabei geht es darum, abzugrenzen, wie selbstständig die Prostituierten im "Fun Garden" agierten.

Eine aus Russland stammende Prostituierte, die zu ihrem Status befragt wurde, sagte als Zeugin, dass sie sich erinnere, auf dem Amt im Emmerich gewesen zu sein: "Ja, selbstständig." Richter Christian Henckel: "Was heißt das, selbstständig?" Antwort: "Keine Ahnung."

(RP/rl)
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