Rees Sinnsuche auf dem Jakobsweg

Rees · Waltraud van Altena-Höffken und Heinz Höffken sind schon oft auf dem Pilgerpfad gewandert, im September ist es wieder soweit.

 Waltraud van Altena-Höffken und Heinz Höffken aus Haldern auf einem der vielen Erinnerungsfotos vom Jakobsweg.

Waltraud van Altena-Höffken und Heinz Höffken aus Haldern auf einem der vielen Erinnerungsfotos vom Jakobsweg.

Foto: Höffken

Bald sind sie wieder im Halderner Wald unterwegs. Dann ziehen Waltraud van Altena-Höffken und Heinz Höffken ihr festes Schuhwerk an und trainieren täglich auf ihrer acht Kilometer langen Niederrhein-Teststrecke für den Jakobsweg. Denn Mitte September wollen sie 311 Kilometer bis zur Kathedrale in Santiago de Compostela wandern, ihre Hände an die Mittelsäule des Pórtico de la Gloria legen und sich vor der silbernen Truhe verneigen, in der die Reliquien des Apostels Jakob ruhen sollen.

Was für viele andere Pilger ein einmaliges Erlebnis bleibt, ist für das Halderner Paar zu einer festen Tradition geworden. Den Jakobsweg, dieses Netzwerk von Pilgerpfaden durch ganz Europa, haben sie schon achtmal bewältigt - natürlich auch auf dem bekanntesten Pfad, dem Camino Francés, dem Hape Kerkeling im Jahr 2006 sein Buch "Ich bin dann mal weg" widmete. Der Bestseller steht mit vielen anderen Titeln in der kleinen Jakobsweg-Bibliothek, die das Paar in seiner guten Stube in Sonsfeld eingerichtet hat. Es war aber nicht Kerkeling, der Waltraud van Altena-Höffken vor mehreren Jahren auf den Jakobsweg brachte. "Meine Firma hatte mir gekündigt und ich suchte eine Antwort darauf, wie es in den wenigen Jahren bis zur Rente weitergehen sollte", sagt die Pilgerin.

 Ihre vollgestempelten Pilgerpässe heben die beiden Halderner natürlich immer auf.

Ihre vollgestempelten Pilgerpässe heben die beiden Halderner natürlich immer auf.

Foto: Höffken

Die (erfolgreiche) Sinnsuche fand nicht in Wanderstiefeln statt, sondern erst einmal mit dem Fahrrad. "Mein Mann fuhr mir mit dem Wohnmobil hinterher oder voraus, weil er es bequem haben wollte und sowieso nicht viel von der ganzen Sache hielt", sagt Waltraud van Altena-Höffken lachend. Heinz Höffken ergänzt: "Ich sah überall diese humpelnden Pilger und dachte nur: Das würde ich mir nie im Leben antun." Doch die Ankunft in Santiago de Compostela setzte Emotionen frei, die aus den Haldernern überzeugte Pilger machte. Vor einem Jahr wanderten sie sogar 110 Tage lang von Trier nach Santiago und feierten Heinz Höffkens 70. Geburtstag mit der Übergabe der Compostela, jener begehrten Urkunde, die nur gegen Vorlage des vollgestempelten Pilgerpasses zu bekommen ist.

Die Höffkens sind echte Experten geworden: Sie empfehlen Jakobsweg-Debütanten bestimmte Schuhe, Rucksäcke, Wege und Pensionen. Die einfachen Schlafsäle überlassen sie inzwischen den jüngeren Pilgern. "Wir nehmen lieber Doppelzimmer in kleinen Herbergen und Privatunterkünften, die wir schon am Vorabend buchen", sagt Waltraud van Altena-Höffken. "So haben wir nach einer Tagesetappe von maximal 30 Kilometern ein festes Ziel vor Augen, genießen aber auch die Privatsphäre und können unsere Sachen wegschließen." Denn trotz aller Frömmigkeit auf dem Jakobsweg kommt es gelegentlich zu Diebstählen. "Amerikaner sind beliebte Opfer, weil sie meist ihr ganzes Bargeld bei sich tragen", weiß Heinz Höffken.

Er und seine Frau planen ein Budget von 20 bis 30 Euro pro Tag ein. Das reicht für die Schlafstätte und die Verpflegung. Fast alle Orte entlang des Jakobsweges sind auf Pilger eingestellt. Jede Bar bietet Essen, viele private Pensionen stellen ihre Küchen bereit. "Ein Höhepunkt war ein kleiner Bauernhof. Dort haben wir selbst gekocht, bevor der Bauer mit seinen riesigen Pranken wunderbar Klavier spielte und Waltraud dazu das ,Ave Maria' sang", erzählt Heinz Höffken. Er und seine Frau schätzen die Begegnungen mit Fremden, amüsieren sich aber auch über viele Pilger aus Asien: "Sie sind wandelnde Rucksäcke und haben manchmal sogar einen Reiskocher dabei, weil sie unser Essen nicht mögen."

Die Höffkens kommen auch mit vielen deutschen Pilgern ins Gespräch. "Es sind auffallend viele Manager darunter, die mit ihrer beruflichen Verantwortung überfordert sind und den Jakobsweg nutzen, um ihr Leben neu zu definieren", sagen die Halderner. Auch sie haben ihr Leben nach den ersten Pilgererfahrungen geändert, ihr großes Haus in Grieth verkauft und vor fünf Jahren eine kleine Parzelle direkt am Altrheinarm in Sonsfeld gepachtet. "Es gab Freunde, die uns sagten: Ihr spinnt!", sagt Heinz Höffken. "Aber wir genießen die Aussicht und investieren das gesparte Geld in unsere Auslandsreisen und Pilgertouren."

Den Jakobsweg nutzen die Halderner meist auch für einen Besuch am "Ende der Welt", in Finisterre. Dort, am westlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel, genießen sie den Sandstrand und sammeln stets neue Muscheln, die sie in Sonsfeld aufbewahren. "Solange wir noch können, werden wir jedes Jahr auf dem Jakobsweg pilgern", haben sich die Höffkens vorgenommen. Sie sehen in der Wallfahrt die "perfekte Mischung aus Spiritualität, körperlicher Ertüchtigung und günstigem Reisen."

(RP)
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