Rees Stehende Ovationen für Storno in Rees

Rees · Eine bessere Vorlage hätten die Herren von der Fifa den Herren von Storno kaum vor die Füße spielen können. Nur einen Tag, bevor das Trio im Reeser Bürgerhaus seine "Sonderinventur" abhielt, wurden die Funktionäre unter Korruptionsverdacht verhaftet, was die Kabarettisten Harald Funke, Thomas Philipzen und Jochen Rüther für verbale Volltreffer auszunutzen wussten.

So bekamen schon in den ersten zehn Minuten des zweistündigen Programms Sepp Blatter ("Das ist kein Name, das ist eine Diagnose"), fragwürdige WM-Vergaben ("Die nächste WM kriegt das IS-Kalifat") und die Spielerfrauen ("Das kann man jetzt studieren") ihr Fett weg.

Mit einer höchst unterhaltsamen Mischung aus Wortwitz und Gesang, aus Albernheit und Hochkultur hatten die drei Westfalen das Reeser Publikum sofort in ihren Bann gezogen. Im Vergleich zu den ausverkauften Häusern, in denen das Kabarett-Trio Storno sonst im Münsterland und in Ostwestfalen spielt, war das Reeser Bürgerhaus mit insgesamt 130 Zuschauern recht spärlich besetzt, doch Harald Funke sprach am Ende aus, was jeder im Saal dachte: "Rees ist die Keimzelle einer gewaltigen Bewegung. Bei unserem nächsten Auftritt wird dieser Saal bersten."

Dass der satirische Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate mit NSA, katholischer Sexualmoral und fragwürdigen Wahlausgängen aufwartete, durfte nicht weiter überraschen. Vor allem die AfD ("Alte Naive für Deutschland") und ihr Gründer Lucke ("dieser Mensch gewordene Kinderriegel") mussten dran glauben. Dagegen kam die FDP, die "uns Kabarettisten Jahrzehnte lang ernährt hat", noch recht gut weg: "Lindner hat angekündigt, dass die FDP bei der nächsten Bundestagswahl wieder die Fünf-Prozent-Hürde nimmt - aber nur, wenn der ADAC die Stimmen auszählt."

Nicht nur bei den Lehrern im Reeser Publikum erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt, als sich Storno in der zweiten Halbzeit die deutsche Bildungsmisere mit ihren laktoseintoleranten Kindern und überforderten Helikopter-Eltern vornahmen.

Vor 50 Jahren, als Astrid Lindgren "Michel aus Lönnerga" schrieb, sei dieser Junge, der seine Schwester am Fahnenmast hochzog, Schweine und Hühner betrunken machte und die Magd vom Dach schubste, "seelisch in der Balance" gewesen. Heute würde er mit Ritalin ruhiggestellt und zum "antigewaltpräventiven Voltigieren" geschickt. Früher habe eine Schwangerschaft neun Monate gedauert, heute mindestens 21 Jahre, beschwerte sich Thomas Philipzen: "Wir stillen unsere Kinder erst dann ab, wenn der Bart des Sohnes am Busen der Mutter kratzt."

Danach könnte das laktoseintolerante Wesen direkt zur Bundeswehr, die dank Ursula von der Leyen endlich familienfreundlich geworden ist. "Die beste Verteidigungsministerin seit Rudolf Scharping" mache nicht nur jedes Feuergefecht zur Vater-Kind-Kur, sondern gebe neuerdings auch adipösen Soldaten beim Bund eine Chance: "Da gewinnt der Satz ,Deutschland überrollt andere Länder' eine ganz neue Bedeutung."

Entsprechend loben die drei Kabarettisten die heutigen Rentner, die den Zweiten Weltkrieg erfahren haben und sich heute ehrenamtlich in der Mittagsbetreuung von Schülern in finanzklammen Kommunen engagieren: "Wer den Kessel von Stalingrad überlebt hat, der schafft auch die Gesamtschule Bottrop."

(ms)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort