Haldern-Countdown Tollkühner Gaul und ewige Schotten

Emmerich · Am 11. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redakteur Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

 Mann mit Bart und Charakter: Ben Caplan wird sicher zu einem der Höhepunkte des Festivals werden.

Mann mit Bart und Charakter: Ben Caplan wird sicher zu einem der Höhepunkte des Festivals werden.

Foto: ADA-Warner

Ben Caplan & The Casual Smokers - Birds With Broken Wings

Jetzt gibt es kein Halten mehr: Auf seinem Debütalbum gab Ben Caplan noch den zurückhaltenden Crooner. Die Songs klangen wie ein alter Klepper, den man viele Jahre zu stramm am Zügel gezogen hatte. Das zweite Album von Ben Caplan aus dem kanadischen Halifax hingegen ist ein tollkühner Gaul, der sich auf keinen Reitstil einlassen will. Ben Caplan, der Mann mit dem riesigen Bart und dem Weirdo-Auftreten, traut sich hier was: Klezmer-Musik, Soul, Folk, Gospel - eine Vielzahl von Instrumenten begleitet ihn. Atemberaubend gut ist das Songwriting. Mancher wird an Tom Waits denken. Man muss nur "I Got Me A Woman" hören, diesen Saloon-Schunkler, um zu wissen, dass Caplan Säle zu unterhalten weiß.

Klingt wie: Tom Waits, Beirut (Punkte: 4,5/5)

Frightened Rabbit - Painting Of A Panic Attack

Die Schroffheit früherer Alben hat die schottische Band Frightened Rabbit abgelegt. Ihr neues Werk "Painting Of A Panic Attack" wurde von Aaron Dessner (The National) produziert; und man darf urteilen: Diese Zusammenarbeit hat Eindruck hinterlassen. Frightened Rabbit klingen jetzt epischer, die Songs haben mehr Dramatik, büßen aber dafür leider auch an Indiecharme ein. Das Album erschien unter besonderen Bedingungen: Frontmann Scott Hutchinson, von Berufs wegen Melancholiker, zog der Liebe wegen von Glasgow über den Teich ins sonnige Los Angeles - und schrieb Songs, in denen er sich mit Heimweg an sein altes Schottland erinnerte. Mit seiner Band daheim erarbeitete er die Songs per Mail. Dieser technische Ansatz führt manchmal zu mehr Glattheit, schafft aber auch großartige Monumente der Einsamkeit wie das finale "Die Like A Rich Boy". Eine Erkenntnis nach dem Hören des Albums: Du kannst wohnen, wo Du willst - Du bekommst den Schotten nicht aus Dir raus.

Klingt nach: Buffalo Tom, The National (Punkte: 3,5/5)

Me + Marie - One Eyed Love

Seit 2012 schreiben Maria de Val aus Südtirol und Roland Scandella aus Graubünden gemeinsam an Songs. Das Duo hat mittlerweile in München eine Heimat gefunden, klingt aber international. Die Folkrocksongs auf "One Eyed Love" erinnern an Bands wie Angus & Julia Stone und Dear Reader. Me + Marie wollen mit ihrer Musik nicht aufwühlen, sondern den Hörer leicht umschmeicheln. Dies geht manchmal auf Kosten der Spannung. Wäre der Begriff Kuschelrock nicht musikhistorisch vorbelastet, würde man ihn hier anwenden wollen.

Klingt nach: Angus & Julia Stone, Dear Reader (Punkte: 3/5)

Elias - Revolution (EP)

Der Schwede mit dem Künstlernamen Elias hat bisher nur Eps veröffentlicht. Die aktuelle heißt "Revolution Zu hören ist elektronischer Soul, allerdings nicht in der James-Blake-Jammervariante, sondern mit einer durchaus hoffnungsvollen Note. Davon zeugen Titel wie "Revolution" oder "Makin Me Happy". Aufgemotzt wird dieser Sound mit Streichern und Geigen. Wer dem Burschen mehr Zeit gibt als die handelsüblichen drei Minuten, wer die Songs immer wieder hört, der bemerkt großes Talent. Im Herbst soll das Debütalbum erscheinen. Elias - bald auch in Ihrem Radio.

Klingt nach: Hozier (Punkte: 3,5/5)

Rationale - ohne Album Der Londoner Produzent Rationale ist als Musiker weithin unbekannt, stand bisher immer hinter den Reglern. Das soll sich ändern - die ersten im Netz erschienenen Tracks deuten an, wohin die Reise geht: Stimmgewaltiger Elektrosoul, wie man ihn derzeit überall hören kann: Man ist leicht verleitet, das eine 08/15-Variante von Pop zu nennen, doch dann sieht man sich den Typen bei Youtube an und versteht, warum da mehr draus werden könnte.

Klingt nach: James Blake (ohne Wertung).

Sara Hartman - Satellite (EP) Alle gehen nach Berlin, jetzt sogar die New Yorker: Sara Hartmann kam 2014 von Hamptons/New York in die Bundeshauptstadt, um professionelle Musikerin zu werden. Stimmlich könnte das gelingen: Die erste EP "Satellite" mit vier Tracks gibt eine Ahnung vom Talent der jungen Frau, die einer Mischung von warmen Analogsounds und elektronischem Unterbau vertraut. Das ist das Futter für ihr warm-wohligen Popsongs, die nicht unter die Haut, aber immerhin ins Ohr gehen.

Klingt nach: The XX, Boy, Marina & The Diamonds (Punkte: 3/5)

(RP)
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