Rees Viele unvergessliche Momente

Rees · Erwin Roos wurde am 30. Dezember 1931 in der Reeser Oberstadt geboren. Anlässlich seines heutigen 85. Geburtstags erinnert sich der Ehrenmajor des Tambourcorps Rees an seine musikalische Laufbahn.

Rees: Viele unvergessliche Momente
Foto: Michael Scholten

Der Spielmannszug Rees wurde 1924 von unseren Vätern gegründet und war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 sehr aktiv. Einige der Spielleute wurden früh zum Wehrdienst eingezogen und fielen im Krieg. Andere gerieten in Gefangenschaft, doch als die ersten von ihnen heimkehrten, trafen sie sich 1947 in der Gaststätte Thenagels, um einen Neuanfang zu wagen. Auch die Söhne der Spielleute, darunter ich, wurden angesprochen. Mädchen waren zu dieser Zeit nicht gefragt.

 Zum 50-jährigen Bestehen feierten die Tambouren mit den hiesigen Schützenvereinen in einem Zelt auf dem Marktplatz.

Zum 50-jährigen Bestehen feierten die Tambouren mit den hiesigen Schützenvereinen in einem Zelt auf dem Marktplatz.

Foto: Roos

Der Wille, die Tradition aufleben zu lassen, war groß, doch leider fehlten uns geeignete Räume. So fanden die ersten Proben in zwei Waschküchen statt. Wir mussten bei der britischen Militärverwaltung einen Antrag auf Neugründung des Vereins stellen. Die Briten wollten ganz genau wissen, wie wir marschieren, welche Uniformen wir tragen, bei welchen Ereignissen wir auftreten und welche Märsche wir spielen. Hätten wir den Badenweiler Marsch angegeben, wäre das unser Aus gewesen. Denn das war der Lieblingsmarsch von Adolf Hitler. Die Musik musste einst bei vielen Paraden zu seinen Ehren gespielt werden.

 Am 20. Dezember 1967, zur Einweihung der Reeser Rheinbrücke, schritt Bundespräsident Heinrich Lübke zum Klang der Reeser Tambouren zur letzten Fähre.

Am 20. Dezember 1967, zur Einweihung der Reeser Rheinbrücke, schritt Bundespräsident Heinrich Lübke zum Klang der Reeser Tambouren zur letzten Fähre.

Foto: Roos

Die blauen Vorkriegs-Uniformen waren bei den Luftaufgriffen auf Rees verbrannt oder von britischen Soldaten als Souvenir mitgenommen worden. Wir baten Paul Kerstiens (Senior) um Hilfe. Er konnte uns Uniformen aus englischen Armeebeständen organisieren. So liefen wir zunächst in braunem Stoff auf, der bei erster Gelegenheit durch das traditionelle Blau ersetzt wurde.

 Beim Schützenfest in der Feldmark trugen die Reeser Tambouren 1950 braune Uniformen aus britischen Armeebeständen.

Beim Schützenfest in der Feldmark trugen die Reeser Tambouren 1950 braune Uniformen aus britischen Armeebeständen.

Foto: Roos (3) / SCholten

Im Oktober 1950 führte mich mein Beruf nach Düsseldorf. Meine Mitgliedschaft im Tambourcorps musste ruhen. Doch für Mitglieder, die wie ich außerhalb von Rees arbeiteten, wurde extra eine Probe an Sonntagvormittagen eingeführt. Als ich 1961 beim Schützenfest meine spätere Frau Irene kennenlernte, war ich bemüht, künftig jede freie Minute in Rees zu verbringen.

Nach der Hochzeit 1965 verlegte ich meinen Wohnsitz von der Landeshauptstadt in meine Geburtsstadt. Zwei Jahre später, am 20. Dezember 1967, erhielten wir von der Stadtverwaltung einen besonderen Auftrag: Wir sollten einen "Weckruf" spielen, damit möglichst viele Reeser an der Rheinpromenade Spalier stehen, wenn Bundespräsident Heinrich Lübke mit der letzten Fähre zum linken Rheinufer übersetzt. Danach sollte er das symbolische Band auf der neuen Rheinbrücke durchschneiden und sie offiziell für den Verkehr freigeben. Nach ihm und weiteren Ehrengästen, darunter NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn, Bundesverkehrsminister Georg Leber und Bürgermeister Johann Meisters, musste die Fähre aber noch mehrmals fahren, weil auch andere Reeser zum linken Rheinufer wollten. Erst am Abend wurde der Fährbetrieb eingestellt.

Am 1. April 1970 übernahm ich von meinem Vater die Stabführung des Tambourcorps Rees und plante schon bald die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen. 1974 richteten wir in einem Zelt auf dem Markt ein dreitägiges Fest aus. Fortan wurden wir von vielen Vereinen und Gruppen gefragt, ob wir ihre Festivitäten musikalisch begleiten könnten. Der Wille war da, aber nicht das musikalische Repertoire. Wir spielten vorwiegend Märsche, erkannten aber die Notwendigkeit, auch populäre Stücke zu erlernen. Der Einsatz zahlte sich aus. Wir bereicherten mit unserer Musik nicht nur Veranstaltungen in Rees, sondern nahmen auch Einladungen aus anderen Städten an. Darunter zwei Winzerfeste in Unkel, fünf Karnevalszüge in Bad-Godesberg und 28 Kinderkarnevalsfeiern in der Landesklinik Bedburg-Hau.

2001 kündigte ich beim Krönungsball des Bürgerschützenfestes meinen Rücktritt an. Wie ich 1970 meinen Vater beerbt hatte, wurde nun am 30. Dezember 2001, an meinem 70. Geburtstag, mein Sohn Michael der neue Tambourmajor. Schaue ich auf meine aktive Zeit im Tambourcorps zurück, dann möchte ich drei Ereignisse besonders hervorheben: Bei einem Bundesschützenfest in den 70ern trafen wir auf den Musikverein Vynen, mit dem wir beim Festzug eine gemeinsame Musikgruppe bildeten. Beim Stiftungsfest des Heidemusikzugs in Paderborn hatten wir die Gelegenheit, in einer Gruppe mit dem Heeresmusikcorps aus Münster zu marschieren. Und beim großen Musikfest in Germaringen im Ostallgäu konnten meine Frau und ich von der Tribüne aus das Defilee der 90 Musikzüge erleben.

Unvergesslich bleibt auch der Moment, als die Tambouren zu meinem 70. Geburtstag vor meiner Haustür standen und mich mit Musik zu den Rheinterrassen begleiteten. Die Vorstands-Offiziere des Bürgerschützenvereins hatten sich den Spaß erlaubt, die Vereinsfahnen am Mast zu hissen. Am Rathaus wartete der Musikverein aus Vynen darauf, sich dem Tambourcorps Rees anzuschließen. Auch Abordnungen des Praester Blasorchesters und der Schützenvereine waren gekommen, ebenso der Musikzug Rindern. Sie spielten für mich den Großen Zapfenstreich. In diesem emotionalen Moment wusste ich, dass es eine wichtige und richtige Entscheidung gewesen war, 1970 die Stabführung von meinem Vater zu übernehmen.

Ich wünsche dem Tambourcorps Rees noch viele erfolgreiche Jahre.

bearbeitet von Michael Scholten

(RP)
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