Emmerich Viereinhalb Jahre Haft für Messerstecher

Emmerich · Ein 19-jähriger Georgier musste sich wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten.

Kurz vor Schließung der Beweisaufnahme wandte sich Richter Christian Henckel noch einmal an den Angeklagten. "Warum haben Sie das gemacht?", fragte er den 19-jährigen Georgier, der am ersten Prozesstag vor dem Klever Landgericht bereits zugab, einen mittlerweile 32-jährigen Russen im Asylbewerberheim an der Stadionstraße in Kleve brutal niedergestochen zu haben. Zu den Motiven schwieg er allerdings eisern. "Den Grund möchte ich nicht nennen", entgegnete der 19-jährige. In einer kurzen Prozesspause sagte sein Anwalt vielsagend: "Er kann sich nur selbst helfen."

Doch das Tatmotiv blieb bis zuletzt verborgen. Das Gericht verurteilte ihn trotzdem zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Gegen dieses Urteil kann der 19-Jährige innerhalb einer Woche Revision einlegen.

Der Angeklagte nahm dieses zunächst regungslos auf. Während der Urteilsbegründung wurde er jedoch mehrfach ausfällig. "Fertig jetzt, okay?", sagte er in einem rauen Tonfall. Schon zu Beginn des Prozesses war er negativ aufgefallen, als er einen Aktenhefter in Richtung eines Zeugen warf, den er zuvor wüst beschimpft hatte.

Bis zum Urteil war der letzte Verhandlungstag, an dem das Gericht noch einen Arzt und einen psychiatrischen Sachverständigen anhörte, relativ ruhig verlaufen. Ein Arzt, der im Klever St.-Antonius-Hospital die Erstversorgung vorgenommen hatte, berichtete von einem sieben Zentimeter langen Einstich in die rechte Körperhälfte des Opfers, die eine lebensgefährliche Verletzung verursacht habe. Der Zeuge gab an, dass eine sofortige Behandlung des Russen notwendig war, um dessen Leben zu retten. Aufgrund der Schwere der Verletzungen wurde er noch am selben Abend im Nimwegener Uniklinikum notoperiert. Der Arzt verdeutlichte mithilfe von Handbewegungen, dass der Täter mit dem Messer eine "sägeförmige Bewegung" während des Angriff gemacht haben muss: "Dabei muss die Kraft schon ziemlich heftig gewesen sein, da die Muskulatur ziemlich stark ist."

Dr. Jack Kreutzer, der ein psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten erstellt hat, diagnostizierte bei dem Georgier eine Reifeverzögerung. "Er hat Hals über Kopf sein Heimatland verlassen und gesagt: Ich werde jetzt Fußballer. Das wirkt sehr kindlich naiv", so Kreutzer. Der zur Tatzeit betrunkene Beschuldigte sprach mit dem Psychiater auch über sein Alkoholverhalten. So habe er bereits in Georgien häufig Alkohol konsumiert. "Ich konnte aber immer wieder aufhören", habe er betont. In Deutschland, wo er sich zuletzt ohne festen Wohnsitz aufgehalten hat, habe er vor allem bei Sorgen zum Alkohol gegriffen - auch am Tattag. Wie viel Promille er zur Tatzeit allerdings wirklich hatte, konnte Kreutzer nicht mehr endgültig feststellen. In seiner Rechnung, die auch auf Angaben des Angeklagten beruhte, kam er auf schätzungsweise 3,47 Promille.

Staatsanwalt Klocke nahm in seinem Plädoyer an, dass durch den Alkoholkonsum die "Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert" gewesen sei. "Die Schuldfähigkeit wurde dadurch aber nicht vollständig aufgehoben", betonte er. Außerdem habe der Beschuldigte in Georgien im alkoholisierten Zustand schon einen Automaten demoliert. "Nun hat er nicht mehr nur Gegenstände, sondern auch einen Menschen angegriffen", sagte Klocke. Er sah deshalb eine Jugendstrafe von sechs Jahren als erzieherisch notwendig an.

Sein Anwalt wies dagegen darauf hin, dass die Schwere der Tat zwar zulasten seines Mandanten gehe, dieser aber immer wieder betont habe, dass er den Russen nicht habe töten wollen. Er hielt eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren für angemessen. Dies sah das Gericht anders. "Wir sind uns sicher, dass Sie im Moment der Tat den Vorsatz hatten zu töten", sagte der Richter.

(RP)
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