Emmerich Von der Liebe zur Lyrik

Emmerich · Im Dezember wird Christoph Klimkes Stück "America First" über Marilyn Monroe in Göttingen uraufgeführt, er arbeitet an einem Libretto für Cornelia Funke. Seine Liebe aber gilt der Lyrik.

 Christoph Klimke sieht sich als Lyriker, sein jüngster Gedichtband ist im elfenbein-Verlag erschienen und lädt zu "fernweh" ein.

Christoph Klimke sieht sich als Lyriker, sein jüngster Gedichtband ist im elfenbein-Verlag erschienen und lädt zu "fernweh" ein.

Foto: Evers(1)/mgr (3)

Christoph Klimke ist Lyriker. "fernweh" heißt eines seiner feinen schmalen Gedichtbändchen, die im elfenbein-Verlag erschienen sind: 100 Seiten auf Verse und Worte komprimiertes Fernweh, das zugleich auch vom Heimweh erzählt. Von der Heimat, die gerade da ist, wo man momentan nicht ist. So wie Klimke, der als Wanderer zwischen den Welten, in denen er lebt, immer irgendwie ein Fremder bleibt: Zwischen Italien, Berlin und Kleve, wo er aufgewachsen ist.

Emmerich: Von der Liebe zur Lyrik
Foto: Matthias Grass

Eindringlich erzählt er von diesen Welten, in regelrechten Sturzbächen reihen sich die Worte, keine Satzzeichen bieten Einhalt im Fluss des Erzählens. Doch dieser Fluss ist so dicht, dass der Leser hängen bleibt am Wort, an den Sätzen, die sich so verschieden lesen lassen, je nachdem, wie man die Pausen setzt. Der Fluss ist so dicht, dass der Leser hängen bleibt an dieser melancholischen Beobachtung des Lebens und eben nicht fortgespült wird vom scheinbaren Sturzbach der Worte.

Emmerich: Von der Liebe zur Lyrik
Foto: Matthias Grass

1982 ging Klimke nach Italien. Mit einem Koffer voller Bücher von Thomas Mann bis Marcel Proust lebte er in der Nähe von Florenz. Er hatte beschlossen: "Einfach nur leben, lesen und schreiben" - ausbrechen aus dem eingeschlagenen Weg. Er beendete vorzeitig das Studium und schuf Lyrik.

Emmerich: Von der Liebe zur Lyrik
Foto: Matthias Grass

Doch der Lyriker schreibt auch "Prosa". Zunächst übersetzte der Klever für Rowohlt aus dem Italienischen, schrieb für Zeitungen. 1985 erschien ein Band über den ermordeten italienischen Filmregisseur Pier Paolo Pasolini. Über den Skandal-umwitterten Italiener publiziert Klimke immer wieder. Zuletzt erschien die Biografie "Dem Skandal ins Auge sehen". Für seine Lyrik und Texte gab's Preise und Stipendien: Das Autorenstipendium der Länder Berlin und NRW, den Förderpreis Literatur des Landes NRW, das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste, den Ernst-Barlach-Preis für Literatur und zuletzt war er 2016 Stadtschreiber zu Rheinsberg.

Klimke schreibt "alles Literarische" geradezu nostalgisch mit der Hand, tippt Verse und Sätze danach ganz altmodisch in eine Olympia-Schreibmaschine. "Das Widerständige des Papiers, das Unverrückbare der einmal gesetzten Type sei etwas Schönes. "Ich liebe Papier", sagt er. Die Manuskripte werden mit Hand überarbeitet und digital erfasst.

Wichtig für den Autor ist die Zusammenarbeit mit dem Theater. Denn der Lyriker Klimke schreibt Stücke für die Bühne und Libretti für die Oper. Die Arbeit für die Bühne begann Ende der 1980er Jahre beim Schauspielhaus Dortmund. "Da war ich plötzlich Theaterautor", sagt der 58-Jährige. Es folgten Stücke geradezu im Jahrestakt: "Die Siamesischen Zwillinge" 1991, im Jahr darauf "Leonzek & Woyce". Natürlich darf auch ein Stück zu Pasolini nicht fehlen: "Die nackten Füße" (frei nach Pasolinis "Teorema") wurden 2005 am Landestheater Tübingen uraufgeführt.

Mit dem Mann, der in Klimkes Pasolini-Stück auf nackten Füßen durch die Wüste rennt, begegnet uns wieder jene "fernweh-Heimat": "Meine nackten Füße bringen mich dorthin, wo es nichts gibt außer dem Notwendigen unter diesem Himmel aus unvergesslichem Blau. Ich laufe und laufe und schreie, mein Schrei soll jedes mögliche Ende überdauern", legt er dem Protagisten in den Mund.

"America First" heißt sein neues Stück über Marilyn Monroe, das am Deutschen Theater Göttingen am 2. Dezember Premiere feiert. Eine Uraufführung. In Klimkes Stück ist die Monroe eine starke Frau, die - zwischen Glamour und Maskerade - weiß, was sie will. Liebe, Eifersucht, Skandale, Betrug, Tod: Im Leben der Filmdiva ist alles, was ein großes Drama ausmacht. Aber in ihrem Leben spiegelt sich auch die politische Geschichte Amerikas mit damals schon “alternativen Fakten„. "Wenn ich auf Kennedy und Nixon schaue, dann gab's das Drama Obama/Trump damals auch schon. Das ist ein schöner Stoff fürs Theater, das ist auch ein Spiegel der US-Politik", sagt der Klever. 2019, zu seinem 60. Geburtstag, soll ein weiterer Prosa-Band folgen: "Der Koloss" nach Goya. Darin kommt auch Kleve vor. Zudem arbeitet er an einem Libretto für die Oper Bonn, die einen Roman von Cornelia Funke (u.a. Tintenherz) auf die Bühne bringen will.

Er habe sich nicht von seinem Vater befreien müssen, sagt der Autor im Rückblick. Wolfgang Klimke, Lehrer am vom-Stein-Gymnasium, schrieb zwar auch Gedichte. "Die waren aber sehr traditionsverbunden, da sind wir uns nicht ins Gehege gekommen", sagt Christoph Klimke. Wer "fernweh" in die Hand nimmt, begreift das sofort. Er wird hängen bleiben im Wortstrom.

(mgr)
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