Kaplan Christian Olding Wie deftig darf es in der Predigt sein?

Emmerich · Wenn Kaplan Christian Olding im Gottesdienst spricht, fallen am Altar auch schon mal Kraftausdrücke. Er erklärt, warum.

 Kaplan Christian Olding sagt: "Was Mist ist, muss man auch Mist nennen". Gegebenenfalls auch in der Kirche.

Kaplan Christian Olding sagt: "Was Mist ist, muss man auch Mist nennen". Gegebenenfalls auch in der Kirche.

Foto: mvo

Herr Olding, ein Zitat aus einem Ihrer Gottesdienste lautet: "Ich reiß mir den Arsch auf für Jesus...". Sie nehmen Worte wie "Arsch" oder "Scheiße" in einer Predigt in den Mund. Darf man das?

Olding Darf man's denn im Alltag? Wir machen uns etwas vor, wenn wir meinen, wir müssten in der Kirche anders sprechen als draußen. Was ich Jugendlichen beim Thema ,Beten' als erstes beibringe, ist, mit Gott so zu sprechen wie mit einem Freund. Und mein Anspruch an eine Predigt ist: Sie soll verständlich sein, etwas für den Alltag mitgeben. Außerdem bin ich auch nur ein Mensch — manchmal kommen die Emotionen einfach durch. Es tut mir Leid, wenn das, was innen ist, auch mal rauskommt.

Das wäre jetzt die Frage: Tut es Ihnen wirklich Leid? Oder finden Sie es eigentlich ganz in Ordnung?

Olding Es tut mir Leid, wenn ich Leuten damit auf die Füße trete, denn das ist nicht meine Absicht. Aber ich bin nicht nur eine Rolle, nicht nur der Kaplan. Ich bin auch ein Mensch mit Gefühlen und seiner eigenen Gottesbeziehung.

Was ist mit Ihrer Vorbildfunktion?

Olding Wenn sich mein Vorbild am Sprachgebrauch festmacht, nicht an meiner Lebensweise, dann legen wir der Doppelmoral den Boden.

Glauben Sie nicht, dass eine rüde Wortwahl Menschen abschrecken könnte? Menschen, die nicht so reden? Ältere Menschen?

Olding Abschreckend ist das glaube ich nicht. Ungewohnt schon. Aber ich glaube, dass das damit zu tun hat, dass Kirche allgemein einen Wandel erlebt, und dass das ,Abgeschrecktsein' eher der Veränderung allgemein gilt. Ich gehöre einer anderen Generation an als 70- oder 80-Jährige, die mit einem ganz bestimmten Benehmen in der Kirche groß geworden sind. Da höre ich, dass es für Kinder Ohrfeigen gab, wenn sie im Gottesdienst in die falsche Richtung geguckt haben. Aber das ist nicht mein Kirchenbild, auch nicht meine Kirchenerfahrung. Warum soll das normale Leben denn seinen Platz nicht im Kirchenraum haben?

Umgekehrt: Warum muss es das denn unbedingt? Und zwar mit all seinen provokanten Vokabeln?

Olding Weil der Glaube mehr Lebensqualität in genau diesem Alltag bedeutet. Sonst ist Religion ein Käseglockenprodukt. Nein, der Glaube hat Mitten im Mist des Alltags seinen Platz. Und was Mist ist, muss man auch Mist nennen.

Auch im Gottesdienst.

Olding Ich glaube nicht, dass wir da eine spirituelle Wolke brauchen. Wissen Sie, man kann sich Gott mit Worten auch sehr gut vom Leib halten. Das geht gerade mit besonders frommen Worten und Sprüchen. Wenn es mir schlecht geht, sitze ich zu Hause jedenfalls nicht da und bete: Lieber Gott, hilf mir in meiner Not. Ich sage: Sag mal, was fällt dir da oben eigentlich ein?

Was ist mit Kinderohren? Eltern bringen ihren Kindern bei, nicht so zu reden — und dann hören Sie es vom Kaplan in der Kirche.

Olding Na ja, es handelt sich ja bei diesen Ausdrücken nicht um mein Standardvokabular, sondern um vereinzelte Formulierungen, auf die ich auch gut verzichten kann. In Familien- oder Schulgottesdiensten zum Beispiel pflege ich auch eine normale Sprache, aber nicht so derb. Je älter wir werden, desto mehr lernen wir, und anzupassen, uns in eine soziale Dressur hineinzufügen. Meine Botschaft ist: Christentum macht frei. Und ich glaube, dass man Erwachsene mehr provozieren muss, um sie aus ihren Gewohnheiten herauszuholen — das mache ich unter anderem mit der Sprache. Bei Kindern ist das nicht so.

Kinder sitzen aber gelegentlich auch in einem ,normalen' Gottesdienst.

Olding Gut. Aber Eltern können ihren Kindern auch erklären, dass der Kaplan da grade etwas emotional war oder etwas gesagt hat, was man eigentlich besser nicht sagt.

Sie haben das Abendmahl mal erklärt mit den Worten: "Ich habe Jesus zum Fressen gern." Ist das nicht reichlich profan für diesen Vorgang?

Olding Oh, wir können natürlich auch von der Transsubstantiationslehre reden. Wenn Kinder so die Eucharistie verstehen, machen wir das doch. Oder wir fragen mal die Sonntagsgottesdienstbesucher, was das bedeutet. Nein, Alltagssprichworte werden verstanden. Man kommt Gott so nah, man kann ihn buchstäblich essen — das ist ein gutes Bild. Da weiß jeder, dass es um eine wirklich innige Beziehung zu Gott geht.

Ist Ihrer Ansicht nach eigentlich auch das Fluchen in der Kirche okay?

Olding Jesus hat zu den Pharisäern gesagt: ,Ihr Schlangenbrut'. Und ich hätte kein Problem mit ,verdammt noch mal'.

SINA ZEHRFELD FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP/ac)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort