Erkelenz Als Rektor Knorr den Lambertiturm rettete

Erkelenz · Vor 70 Jahren wollten SS-Pioniere den Turm der Erkelenzer Kirche sprengen. Volksschulrektor Knorr gelang es, dies zu verhindern.

 23. Februar 1945, 14.40 Uhr - Zerstörung der Pfarrkirche St. Lambertus Erkelenz: Dieses traurige Ereignis wird die Pfarre Christkönig übermorgen mit einem viertelstündigen Glockengeläut ins Gedächtnis rufen.

23. Februar 1945, 14.40 Uhr - Zerstörung der Pfarrkirche St. Lambertus Erkelenz: Dieses traurige Ereignis wird die Pfarre Christkönig übermorgen mit einem viertelstündigen Glockengeläut ins Gedächtnis rufen.

Foto: Picasa

Sein Schicksal schien besiegelt wie das vieler seiner Brüder - der mächtige Turm der Erkelenzer Lambertuskirche sollte vor nun 70 Jahren von SS-Pionieren gesprengt werden nach dem Motto der "verbrannten Erde", das die Nazis in ihrer Niederlage hinterlassen wollten. Edmund Knorr, Volksschulrektor, Natur- und Heimatschützer in Erkelenz, im Februar 1945 zum Ortskommandanten ernannt, überzeugte in dramatischer Mission den SS-Kampfkommandanten davon, die Sprengung zu unterlassen.

Auf "fünf Minuten nach 12" hätten die Zeiger der Turmuhr gestanden, als Edmund Knorr am 2. Februar 1945 aus dem Lazarett nach Erkelenz zurückkehrte, wo man dem Hauptmann sofort die Dienststelle des Ortskommandanten "in die Hand gedrückt" hätte, erinnerte er sich deutlich. Und der Hahn hätte aufgrund von Treffern "den Kopf hängen" gelassen, der Turm ansonsten aber noch einen relativ guten Eindruck hinterlassen.

Dann aber wurde Knorr bekannt, dass der Turm als weithin sichtbare Land- und Orientierungsmarke für Flugzeuge und Artillerie gesprengt werden sollte. Unter Datum vom 17. Februar schreibt Knorr "An den Kommandanten des rückwärtigen Armeegebietes des XI. SS-Korps. Nach einer mir soeben zugekommenen mündlichen Mitteilung des Pi.-Leutnants (Pi. für Pioniere, d.Red.) Jakobs soll die Erkelenzer Pfarrkirche aus militärischen Gründen durch Sprengung niedergelegt werden.

("...") Besonders der Turm, ein 500-jähriges stolzes Wahrzeichen des alten niederrheinischen Flachlandes, steht in seiner Wucht und reichen Architektur mit an erster Stelle hinter den Kölner Domtürmen, in seiner Höhe (83 Meter) an dritter Stelle hinter den rheinischen Bauten."

Der Ortskommandant (ein Verwaltungsposten) Knorr äußert weiter, dass das Urteil über ein solch hervorragendes Baudenkmal "nur nach strengster Prüfung des militärischen Für und Wider so lange hinausgeschoben wird, als es auf Grund wirklicher militärischer Notwendigkeit zu verantworten ist". Es sei ja auch die Sprengung der Kölner Domtürme nie ernstlich in Erwägung gezogen worden, argumentiert Knorr weiter, es sprächen ähnliche Gründe für den Erhalt der Erkelenzer Kirche, eine Sprengung würde weder von Überlebenden noch von nachfolgenden Generationen verstanden.

Der Brief hat offensichtlich selbst den SS-Pionieroffizier beeindruckt - der erschien gleich am nächsten Morgen und entschied im Sinn von Edmund Knorr. Die Ehrenbezeugung "Retter des Lambertiturms" für den Schulrektor ist also mehr als berechtigt - 1976 ernannte ihn die Stadt Erkelenz zum Ehrenbürger.

Die unerbittliche Zerstörungslogik des Krieges hätte beinahe doch noch das Wahrzeichen des Erkelenzer Landes niedergelegt: Am 23. Februar ließen alliierte Flugzeuge einen Bombenhagel auf die Stadt los, das Kirchenschiff wurde zu Staub zerlegt, mit schweren Treffern blieb aber der Turm so intakt, dass sein Wiederaufbau möglich wurde. Am 26. Februar trat Edmund Knorr den amerikanischen Soldaten mit der weißen Fahne entgegen - am SS-Kampfkommandanten vorbei. Der Krieg war für Erkelenz zu Ende.

(isp)
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