Auslandsjahr Paula Meyersieck Das "andere" China hautnah miterleben

Erkelenz · Ein Besuch auf dem Land nahe der Millionenstadt Ya An hat die deutsche Austauschschülerin Paula Meyersieck tief beeindruckt.

 Die Austauschschülerin Paula Meyersieck hat in einem Armenviertel Kinder in einer Schule besucht. Tief beeindruckt schildert sie, wie sie die Lebensumstände der Menschen dort erlebt hat.

Die Austauschschülerin Paula Meyersieck hat in einem Armenviertel Kinder in einer Schule besucht. Tief beeindruckt schildert sie, wie sie die Lebensumstände der Menschen dort erlebt hat.

Foto: PAULA MEYERSIECK

Ich lebe nun schon seit September 2013 in China und bin von Wuxi bei Shanghai im Osten Chinas in die 2000 Kilometer entfernte Wirtschaftsmetropole des Westens Chengdu (mit Umland 14 Millionen Einwohner) auf eine andere Schule gewechselt. Dort habe ich neue Menschen kennengelernt und Freundschaften geknüpft, verstehe die Kultur und die Sprache immer besser, lerne jeden Tag neue chinesische Vokabeln dazu, und ich kann es kaum glauben, dass das Auslandsjahr schon bald vorbei sein wird. Wenn ich meine bisherige Zeit Revue passieren lasse, ist mir eine Erinnerung besonders wichtig: Der Besuch im Armenviertel auf dem Land in der Nähe einer Millionenstadt, die Ya An heißt.

Aus jeder Klasse unserer Schule wurden Schüler ausgelost, die an dem Entwicklungshilfeprojekt teilnehmen durften und mir als Austauschschülerin stand die Ehre zu, die Delegation zu begleiten. In der Vorbereitungszeit auf unseren Besuch in Ya An sammelten alle nützliche Spenden. Das Ganze lief so ähnlich ab wie bei uns die Spendensammlung für die Tafel. Wir fuhren mit dem Bus und kamen nach einigen Stunden am Fuße eines Berges an, den wir im Schritttempo in Serpentinen erklommen. Je mehr Höhenmeter wir anstiegen, desto staubiger und dreckiger wurde es.

Erst als wir anhielten und ich ausstieg sah ich ein heruntergekommenes Gebäude, welches die Dorfschule war. Aus der Tür liefen uns zu meinem Erstaunen lachende Kinder in zerrissener Kleidung entgegen. Bei so viel Glück und Dankbarkeit, die uns entgegengebracht wurde, kann ich nachempfinden, wie sich Entwicklungshelfer fühlen müssen. Wir verteilten die Geschenke wie Rucksäcke, Lebensmittel, Wärmekissen und andere praktische Dinge für das tägliche Leben. Erstaunlich war, dass sich die Kinder über jede Kleinigkeit freuten und kein Streit beim Verteilen der Gaben entstand. Kurz darauf gingen wir in die Schule, um den Unterricht anzuschauen.

Einige meiner Freunde erteilten selbst den Unterricht in einem kargen Klassenraum, anschließend aßen wir unser mitgebrachtes Mittagessen auf einer Tischtennisplatte, die der Schule als Eßtisch dient. Solche Armut habe ich noch nie gesehen, und ich empfinde es noch heute so unglaublich, aber meine Klassenkameraden erklärten mir, dass tiefer im Gebirge Menschen in größerer Armut leben und dass das, was wir erlebten hatten, nur dem durchschnittlichen Lebensstandard der Chinesen entspricht.

Später spielten wir auf dem Schulhof mit den Kindern Ballspiele, wobei ich die Hände der Kinder registrierte. Sie waren dreckig, faltig und trocken und erinnerten mich an Hände sehr alter Menschen. Ich erfuhr, dass die Kinder ihren Eltern täglich auf dem Feld helfen müssen, damit die Familien überleben können. Daher kommen die Kinder nur unregelmäßig in die Schule. Lernen ist Luxus, denn in den Stunden, in denen die Kinder in der Schule sind, fehlen sie bei der Arbeit.

Ein Kind lud uns zu sich nach Hause ein. Auf dem Weg fragte ich mich, wie ein Kind diesen Weg alleine bewältigt. Wir gingen über ungepflasterte Sandwege, überquerten Flüsse und Steine und stiegen über einen zugewachsenen Weg einen Berg hoch. Das Gebäude, vor dem wir standen, ließ sich nach europäischen Maßstäben nicht als Haus bezeichnen, denn es handelte sich um eine Baracke, deren Wellblechdach von Holzpfeilern gehalten wurde und deren Seitenwände aus Decken bestanden, die provisorisch angebracht worden waren. Es gab weder Matratzen noch Tische oder gar Elektrizität. Der Boden bestand aus festgetretenem Lehm, auf den man sich zu den Mahlzeiten setzte. Die Eindrücke, in denen mir immer wieder die vor Glück strahlenden Augen der Kinder in meine Erinnerung kommen, waren eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.

Ich habe Respekt vor den Menschen, die trotz größter Armut glücklich zu sein scheinen. Dieser Ausflug hat mir gezeigt, dass ich in einer komfortablen Welt aufwachsen darf und dass Glück und Wohlstand nicht in einer zwangsläufigen Korrelation zueinander stehen.

(RP)
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