Serie Was Macht Eigentlich? Der Mord an Mirco - sein spektakulärster Fall

Erkelenz · Willy Theveßen war in den vergangenen 13 Jahren häufig im Fernsehen präsent - als Sprecher der Mönchengladbacher Polizei. 43 Jahre lang war der "Junge" aus Waldhausen, der seit 1991 in Merbeck wohnt, Polizist. Dabei hatte er einst ganz andere Berufswünsche.

Der kleine Willy auf dem Arm des großen Willi, drumherum seine Mutter Therese mit den Schwestern Renate und Inge.

Der kleine Willy auf dem Arm des großen Willi, drumherum seine Mutter Therese mit den Schwestern Renate und Inge.

Foto: Krauss

Merbeck "Schmierfink" haben die Kollegen ihn mal genannt. Doch das war alles andere als ein Schimpfwort, sondern respektvoll gemeint. Diesen Respekt hat Willy Theveßen sich in 43 Dienstjahren bei der Mönchengladbacher Polizei redlich verdient. Die letzten 13 Jahre, bis zum November 2016, war er bei der Pressestelle - daher der "Schmierfink". Nun ist er mit 62 Jahren im Ruhestand. Was bleibt, sind unendlich viele Erinnerungen an Menschen und "Fälle", ganz alltägliche, aber auch furchtbare. Wie im Oktober 2015 der des 19 Tage alten Säuglings Leo aus Mönchengladbach, den der eigene Vater zu Tode quälte und missbrauchte. Ein Fall, der innerhalb weniger Tage aufgeklärt war.

Viereinhalb quälende Monate, genauer: 145 Tage, hat es gedauert, bis 2011 der fürchterliche Mord an dem zehnjährigen Mirco aus Grefrath aufgeklärt war, durch den Willy Theveßen, der seit 1991 in Merbeck wohnt, bundesweit und immer wieder, anfangs täglich, in den Medien präsent war: vor Kameras und Mikrofonen, im Internet, in Zeitschriften und Tageszeitungen. Und in der Lokalausgabe des Kreises Viersen der Rheinischen Post einen knappen Monat lang sogar an jedem Wochentag mit einer eigenen Kolumne. "So sollte der Fall nicht in Vergessenheit geraten, immer weiter nach Zeugen, Spuren, auch nur dem kleinsten Hinweis gesucht werden", erläutern Willy Theveßen und Ingo Thiel, der Leiter der "Mordkommission Mirco" das Vorgehen - das am Ende zum Erfolg führte. Auch, weil Willy Theveßen mit bis dahin ungewöhnlichen Methoden der Öffentlichkeitsarbeit vorging (Bericht unten). Der "Spiegel" hat diese Arbeit erst vor kurzem noch einmal ausführlich dargestellt.

Ob er, nach all seinen Erfahrungen im 43 Dienstjahren diesen Beruf noch einmal wählen würde, hat ihn der Mönchengladbacher Polizeipräsident Mathis Wiesselmann Willy Theveßen gefragt, als ihn im November verabschiedete. Die Antwort kommt aus vollen Herzen: "Ja, ohne jede Einschränkung. Ich habe 43 Jahre das Privileg gehabt, jeden Morgen fröhlich pfeifend zum Dienst zu fahren. Ich habe meine Arbeit immer gerne gemacht, auch wenn es mal fürchterliche Erlebnisse gab, wie die mit Mirco und Leo."

Dabei war Polizist nicht der Beruf, von dem Theveßen als Junge träumte. "Zuerst wollte ich Schiffskoch werden, weil ich aufs Meer wollte und ein Freund meiner Eltern Fleischermeister war", erzählt er. Er hatte auch nicht aufs Gymnasium gewollt, er wollte auf der Volksschule bleiben. Aber dann kamen doch noch späte Einsicht und die Chance, ein Aufbaugymnasium in Geilenkirchen zu wechseln. Auch gab es den Berufswunsch "Kampfpilot bei der Bundeswehr". Als er dort beim psychologischen Test durchfiel, wollte er auch den Rest der Bundeswehr nicht. "Ich habe mich in den Zug nach Gladbach gesetzt, bin am Bahnhof ausgestiegen, gleich mit dem Bus zum Polizeipräsidium gefahren und habe mich dort beworben. Sie haben mich direkt genommen", erzählt er. "Gottseidank, denn das mit dem Kampfpiloten war eine blödsinnige Idee, eine jugendliche Spinnerei. Ich hatte gar keine Ahnung, was da wirklich ist. Mit der Romantik vom Fliegen hat das gar nichts zu tun."

Statt auf der See oder am Himmel blieb Willy Theveßen auf dem festen Boden, in Mönchengladbach, wo er geboren und aufgewachsen ist: In Waldhausen, wo er als Junge Fußball spielte und dann in Borussias C-Jugend wechselte, bis er ins Internat kam. Nur einen "Ausrutscher" hat er sich geleistet: 1991 ist er mit seiner Familie nach Wegberg-Merbeck gezogen - "weil dort ein Häuschen billiger zu bekommen war". Beruflich aber ist er nach der Polizei-Ausbildung in Linnich 1973 immer nach Gladbach gekommen.

Streifendienst, Leitstelle und Dienstgruppenleiter in der Altstadtwache waren die Stationen, bevor er 1996 zur Kripo wechselte. "Zum Staatsschutz. Deren Arbeit hatte mich seit der Zeit der Baader-Meinhof-Bande, der linksterroristischen Gruppe mit ihren Morden, Entführungen und Sprengstoff-Attentaten interessiert."

So war er zunächst nicht begeistert, als der damalige Polizeipräsident Walter Büchsel ihn 2003 fragte, ob er sein Pressesprecher werden wolle. "Doch dann hörte ich immer mehr von Kollegen, dass man ein solches Angebot nicht ausschlagen sollte. Peter Spiertz, mit dem ich schon auf dem Steyler Gymnasium gewesen war, war Leiter der Pressestelle und bedrängte mich", erzählt Theveßen. Den Ausschlag gab dann Dr. Büchsels Angebot, ich solle mir den Laden doch erst einmal von innen ansehen. Wenn ich dann feststellte, dies sei nichts für mich, könne ich jederzeit zurück auf meine Stelle beim Staatsschutz." Willy Theveßen ist nicht zurückgegangen: "Es war ein tolles Team. Ich merkte schnell, dass auch diese Arbeit viel Spaß machte."

Nun ist er seit November Kriminalhauptkommissar a. D., muss sich erst einmal im neuen und letzten Lebensabschnitt zurechtfinden, zur Ruhe kommen, "Es ist einiges liegengeblieben, meine Frau und meine beiden Töchter haben auch noch einiges für mich zu tun. Und dann ist da Luca-Sophia, meine Enkelin, am 28. Oktober geboren - genau rechtzeitig zum Ruhestand des Großvaters.

(RP)
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