Erkelenz Erwachsen werden - jugendlich bleiben

Erkelenz · Musikkabarettist Matthias Ningel erhielt für seinen Auftritt in Erkelenz stürmischen Beifall. Der 30-Jährige steht an einem Scheidepunkt: Soll er bleiben, wie er ist, oder den unvermeidlichen Weg zum Erwachsenen einschlagen?

 Matthias Ningel ist studierter Musikwissenschaftler, der in seiner noch jungen Karriere als Kabarettist schon etliche Kleinkunstpreise abgeräumt hat.

Matthias Ningel ist studierter Musikwissenschaftler, der in seiner noch jungen Karriere als Kabarettist schon etliche Kleinkunstpreise abgeräumt hat.

Foto: Renate Resch

Ein Klavier, eine Klangschale für den gelegentlichen Einsatz, eine Mundharmonika für ein Zwischenspiel, mehr braucht Matthias Ningel nicht bei seinem Auftritt im Kabarettprogramm in der gut gefüllten Erkelenzer Stadthalle. "Jugenddämmerung", so der Titel des kurzweiligen und feinsinnigen Programms, deutet an, womit sich der 30-Jährige befasst: dem unaufhaltsam näherrückenden Erwachsenwerden bei gleichzeitigem Kampf mit den Schwierigkeiten des noch Jungseins.

Der studierte Musikwissenschaftler, der in seiner noch jungen Karriere als Kabarettist schon etliche Kleinkunstpreise abgeräumt hat, nimmt sich und seine Generation unter die Lupe und kommt zu Erkenntnissen, die generationenübergreifend Bestand haben. Wer hat noch nicht den Kampf mit Mutter oder Freundin ausgefochten, ob der alte, liebgewordene Pullover ein Teil für die Altkleidersammlung geworden ist oder unverzichtbarer Bestandteil der eigenen Persönlichkeit?

"Ich habe für meinen Auftritt in Erkelenz den wunderbaren Auftrag bekommen, mich dem Rest meines Lebens zu stellen, am besten die Frau fürs Leben zu finden", scherzt der Musikkabarettist, der in der Südeifel geboren und aufgewachsen ist. Die mütterliche Besorgnis wird von Jahr zu Jahr größer. Aber machen ihre Ratschläge überhaupt Sinn? "Iss deinen Teller leer, dann scheint morgen die Sonne!", ein altbekannter mütterlicher Hinweis. "Was hat es uns gebracht?", fragt sich Ningel zweifelnd. "Einen Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels."

Mit Liedern und Texten seziert Ningel, der in Mainz lebt und dort an seiner Promotion arbeitet, seine Generation, die Konflikte mit der Mutter und mit sich selbst: So wie du bist, hast du noch viel Luft nach oben. Wann bekommst du endlich dein Berufsleben in den Griff? Wann trägst du endlich zur Fortpflanzung bei?

Soll er so werden wie der karrieresüchtige, erfolgsorientierte Rolf, der Mann, der scheinbar alles im Griff hat und der ihm vor zehn Jahren Ilona ausspannte? Oder soll er so bleiben, wie er ist, der verträumte, nachdenkliche, zaudernde junge Mann auf dem unvermeidlichen Weg zum Erwachsenen, der so gerne noch ein wenig jugendlich bleiben will? Ningel sieht die Vorteile: jung, dynamisch, erfolgreich; er sieht aber auch die Nachteile: angepasst, fremdbestimmt, konsumorientiert. "Wenn etwas billig ist, wird es gekauft, auch wenn es nicht gebraucht wird. Habe ich dann etwas gespart?", fragt er.

Er zitiert aus einem Brief, den er vor zehn Jahren an sich selbst geschrieben hat. Daran hatte er von seinem Traum erzählt, Lieder zu komponieren und zu singen. In gewisser Weise hat er sich diesen Traum erfüllt, auch wenn seine Mutter beklagt, dass er nicht erwachsen werden will, und seine Altersgenossen glauben, ihn finanziell, beruflich und sozial abgehängt zu haben. Sollen sie es ruhig glauben. Solange Ningel seinen Pullover hat und seine Musik, ist er ein glücklicher Mensch, der nach der "Jugenddämmerung" im Folgeprogramm das nächste Problem ansprechen wird: "Kann man davon leben?" Er kann es, wie der stürmische Beifall als Lohn des Künstlers bewies.

(kule)
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