Erkelenz/Düsseldorf "Vor Ort endlich Planungssicherheit"

Erkelenz/Düsseldorf · Einschätzungen zu den Details der Garzweiler-Leitentscheidung, die in Düsseldorf gestern offiziell vorgestellt wurde: 400-Meter-Abstand von Holzweiler zum Tagebau, L 19 bleibt im Wesentlichen, Emissionsschutzwall für Holzweiler.

 Anhand einer Karte zeigten die Landesminister Franz-Josef Lersch-Mense und Johannes Remmel gestern, wo bei Holzweiler einmal die Abbaugrenze verlaufen soll.

Anhand einer Karte zeigten die Landesminister Franz-Josef Lersch-Mense und Johannes Remmel gestern, wo bei Holzweiler einmal die Abbaugrenze verlaufen soll.

Foto: NRW Staatskanzlei

Zumeist positiv fielen in Erkelenz die ersten Reaktionen zur Dienstag von der rot-grünen Landesregierung endgültig beschlossenen Leitentscheidung zur Zukunft des Tagebaus Garzweiler II aus. Sie regelt, dass die Menschen aus Holzweiler, Dackweiler und vom Hauerhof nicht mehr umsiedeln müssen. In wesentlichen Punkten stimmen die vier Leitsätze der Leitentscheidung mit dem im September 2015 in Erkelenz vorgestellten Entwurf überein - kleinere positive Veränderungen seien vom Kabinett jedoch noch eingebaut worden, berichtete die Grünen-Abgeordnete Dr. Ruth Seidl. Der Erhalt der drei landwirtschaftlichen Höfe vor den Toren von Holzweiler sei allerdings nicht durchzusetzen gewesen.

Die Minister Franz-Josef Lersch-Mense (SPD) und Johannes Remmel (Grüne) erläuterten gestern den Kabinettsbeschluss in Düsseldorf, zu dem auch eine Karte gehört. Sie zeigt die Abbaugrenze zur Wohnbebauung von Holzweiler. Zwei wichtige, gegenüber der Presse geäußerte Aussagen waren dabei: "Der jetzt festgehaltene Mindestabstand von 400 Metern ist aus unserer Sicht ein tragfähiger Kompromiss" (Remmel) und "Es wird eine positive Entwicklung von Holzweiler gewährleistet werden" (Lersch-Mense).

Über den gefällten Kabinettsbeschluss wird der nordrhein-westfälische Landtag nach der politischen Sommerpause noch debattieren, erklärte Seidl, Abgeordnete aus dem Kreis Heinsberg, das weitere Prozedere und wies auf einen für die Menschen in Erkelenz wichtigen Punkt hin: "Es handelt sich um eine Entscheidung der Landesregierung, die rechtskräftig ist. Sie ist vom Braunkohlenausschuss bei der Bezirksregierung in Köln nun eins zu eins umzusetzen. Damit haben die Menschen vor Ort endlich die Planungssicherheit, die ihnen immer noch gefehlt hat."

Entscheidend sei aus ihrer Sicht, dass von der 400-Meter-Abstandsregelung für Holzweiler zwischen Tagebau und Wohnbebauung nun nicht mehr abzuweichen sei, dass die Landstraße 19 nach Kückhoven im Wesentlichen erhalten bleibe und dass zusätzlich ein Emissionsschutzwall für Holzweiler vereinbart worden sei. Außerdem wolle die Landesregierung Holzweiler bei der Entwicklung positiv unterstützen. Seidls politisches Fazit: "Wir können uns als Grüne immer mehr wünschen, wir befinden uns aber in einer Landesregierung mit der SPD - da ist der erreichte Kompromiss und vor allem die Tatsache, dass der Tagebau Garzweiler II verkleinert wird, für uns ein riesengroßer Erfolg in dieser Legislaturperiode. Darauf können wir stolz sein."

Erleichtert reagierte Peter Jansen (CDU), Bürgermeister der Stadt Erkelenz, angesichts der aktuellen Entwicklung: "Für uns ist wichtig, dass es endlich Planungssicherheit gibt. Ich bin zufrieden, dass wir jetzt endlich klare politisch bekräftigte Aussagen zur Zukunft am Braunkohlentagebau Garzweiler II haben. Das vom Landeskabinett gewählte Verfahren, die Leitentscheidung über den Landesentwicklungsplan einzubinden, ist sehr sauber, und dadurch wird so weit wie irgendwie denkbar Rechtssicherheit hergestellt." Die wesentlichen Forderungen aus der Bürgerschaft und dem Stadtrat - zum Beispiel, dass die direkte Straßenverbindung zwischen Erkelenz und Kückhoven erhalten wird - seien berücksichtigt. Er freue sich, wie seine Stadt in Düsseldorf im Leitentscheidungsprozess wahrgenommen wurde und fair und positiv mit Erkelenz umgegangen worden sei: "Jetzt können wir die Dorfentwicklung am Rande des Tagebaus angehen." Dabei sei entscheidend, dass der Wille zur Unterstützung von Landesseite gestern noch einmal zugesagt worden sei: "In Holzweiler, aber auch in Venrath und Kaulhausen, die bei uns auch Tagebauranddörfer sind, haben die Bürger schon begonnen, sich Gedanken über die Dorfentwicklung zu machen. Nach den Sommerferien werden wir jetzt konkret werden."

Verhalten war die Freude bei Dr. Gerd Hachen (CDU) über die Kernaussagen der Leitentscheidung, die er ambivalent bewertet. Skeptisch ist der Landtagsabgeordnete aus Erkelenz und Vorsitzende der Revierkonferenz der Innovationsregion Rheinisches Revier, was Detailfragen angeht: Gestaltung von Restsee und der 400-Meter-Abstandsfläche zu Holzweiler seien nicht abschließend geklärt - gilt sie ab Wohnbebauung oder fallen auch außerhalb gelegene Betriebe darunter? Zum Bestand der L 19 äußerte er ebenso Zweifel. "Was die Landesregierung wirklich will, sagt sie nicht", kritisierte Hachen. Stattdessen verweise sie auf den Braunkohlenausschuss, der nun im Braunkohlenplan-Verfahren, das acht bis neun Jahre dauern wird, zu beschließen habe.

Wie die Entscheidung konkret aussieht, liege bei diesem Ausschuss. Befürchtungen zur Landstraße hegt Hachen, weil RWE kürzlich eine konkrete Skizze vorgelegt habe, "dass die L 19 bis zur L 117, die Verbindung Holzweiler-Katzem, abgebaggert wird". Dem widerspreche der Text der Leitentscheidung. Eben bei der L 19 liegt für ihn deshalb ein großes "Aber": "Jeder kann sich an der Stelle heraussuchen, was er sich heraussuchen möchte." Generell ist er aber "froh, dass die Landesregierung im Kern bei ihrer Aussage vom Leitentscheidungsentwurf bleibt, dass sie offenbar dem Lobbydruck der Gewerkschaften und des Unternehmens nicht nachgegeben hat". Das verdiene Hochachtung. Er sieht nun eine Chance für einen vorbeugenden Strukturwandel, der alle mitnimmt. Zufrieden bilanziert Hachen, der seit 30 Jahren mit Garzweiler II befasst ist, dass die CDU es geschafft habe, "mit hartnäckigem, aber rechtskonformem Widerstand den Braunkohlentagebau zu verkleinern".

Lobend hob der Bergbautreibende RWE gestern die Planungssicherheit hervor, die dem Unternehmen und seinen vielen Beschäftigten in der Region diene: "Die Leitentscheidung hebt die langfristige Bedeutung der heimischen Braunkohle für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ebenso hervor wie für Wertschöpfung und Beschäftigung. Dass die Entwicklung der Braunkohle im Einklang steht mit den Klimaschutzzielen, wird ebenfalls belegt." Gleichwohl bedauert wurde zweierlei: Zum einen die "deutliche Verkleinerung des genehmigten Abbaufelds des Tagebaus Garzweiler, verbunden mit dem Verlust mehrerer Hundert Millionen Tonnen Braunkohle". Und zum anderen der 400-Meter-Abstand zur Bebauung in Holzweiler, "der über Immissionsschutzanforderungen und sicherheitstechnische Aspekte weit hinausgeht". Dabei gebe es für den Immissionsschutz wirksamere Maßnahmen als die Abstandsvergrößerung: "Das wurde in der Vergangenheit bereits umfangreich nachgewiesen." Die von RWE Power eingebrachten Erkenntnisse seien bedauerlicherweise nicht berücksichtigt worden.

(RP)
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