Erkelenz Hermann-Josef-Stiftung wird 150 Jahre
Erkelenz · Die Hermann-Josef-Stiftung basiert auf einem vor 150 Jahren testamentarisch verfügten Vermögen von 60 000 Talern. Sie steht inzwischen auf vier Säulen. Das Krankenhaus ist der größte Arbeitgeber und Ausbilder in Erkelenz.
Wer auch immer sich mit Geschichte beschäftigt, der stößt bei sorgfältiger Recherche recht bald auf Daten, die zwingend Erinnerungswert haben. So auch in Erkelenz, der größten Kommune des Kreises Heinsberg, wobei die Darstellung dieser Jubiläen in der Bewertung und Gestaltung recht unterschiedlich ausfällt: 1966 erinnerten große Feiern an die 1000 Jahre zuvor erfolgte erste urkundliche Besiegelung von "herclinze" durch Otto den Großen, dem ersten deutschen Kaiser. 2016 war das 1050. Erwähnungsjahr auch deshalb eines Festaktes würdig, weil exakt zu diesem Anlass die kommentierte Übersetzung der Chronik des mittelalterlichen Stadtschreibers Matthias Baux der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Ein Eckdatum der Erka-Stadt ist auch 1326, schließlich ist es das Jahr der Verleihung der Stadtrechte durch Graf Rainald II. von Geldern. Ohne Prophet sein zu müssen, fällt es leicht, zu vermuten, dass das 700-Jährige dazu 2026 ähnlich zünftig gefeiert wird, blickt dann doch auch der Historische Jahrmarkt auf eine 50-jährige Erfolgsgeschichte, die 1976 zum 650. Geburtstag der Stadtrechte initiiert wurde und sich mittlerweile zu dem Stadtfest im Kreis Heinsberg entwickelt hat.
Eine Erfolgsgeschichte, die zwar auch die Historie der Stadt Erkelenz, aber ganz wesentlich die Großherzigkeit eines ihrer Bürger betrifft, wird im Blickpunkt des neuen Jahres 2017 stehen: Die Hermann-Josef-Stiftung feiert das 150-jährige Bestehen. Neben Aktionen, die sich über das ganze Jahr verteilen, wird es am 23. Juni einen feierlichen Festakt für geladene Gäste und zwei Tage später für die Bevölkerung einen Tag der offenen Tür im Hermann-Josef-Krankenhaus - dem Herz der Stiftung - geben. Dabei wird deutlich, dass es zwei eng miteinander verbundene Daten aus dem Jahre 1867 sind, die auf Hermann-Josef Gormanns, dem vielleicht größten Bürger von Erkelenz aufmerksam machen: Am 5. März 1867 zeichnet der Justizrat und Notar eine testamentarische Stiftung über 60 000 Taler zur Unterstützung von mittellosen Kranken und Waisen. Nur 32 Tage später stirbt Hermann-Josef Gormanns am 16. April 1867 in seinem Haus am Markt 11 im Alter von 70 Jahren. Der Königliche Justizrat und Notar wurde neben seiner Mutter auf dem Friedhof an der Brückstraße bestattet. An der Pieta, die das Grabmal ziert, wollen sich zu gegebener Zeit auch die Mitglieder des Stiftungsrates zu einem Gedenken treffen. Angeführt werden sie dann von Bürgermeister Peter Jansen, der Kraft seines Amtes Vorsitzender des Kuratoriums ist. Als dessen Vertreter fungiert Pfarrer Werner Rombach von der katholischen Pfarrgemeinde Christkönig zu Erkelenz. Mitglieder sind auch Pfarrer Günter Wild von der evangelischen Kirchengemeinde Erkelenz sowie der hauptamtliche Landrat des Kreises Heinsberg, durch Kommunalwahlen legitimiert Stephan Pusch. Das fünfköpfige Kuratorium wird komplettiert von einem Mitglied der Familie des Stifters. Aktuell ist das Klaus Krapoll aus Tüschenbroich, gleichbedeutend mit der Umsetzung des Paragrafen 6 der Stiftungssatzung: Der 81-jährige, von 1962 bis zur Übergabe an seinen Sohn Jörg im Jahre 2006 Besitzer der weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannten Tüschenbroicher Mühle, war von seinem in Köln lebenden Vetter Walter Boese benannt worden, weil die Nomination dem jeweiligen ältesten Mitglied der Familie des Stifters vorbehalten ist. Walter Boese erfüllt als 94-Jähriger nicht nur diese Bedingung, er und Klaus Krapoll auch die Vorgabe "Nachkommenschaft von Frau Justizrat Heinrich Jungbluth aus Aachen" zu sein. Natürlich hat Klaus Krapoll den Stiftungsgründer Hermann-Josef Gormanns nicht gekannt, weiß aber "aus Erzählungen meiner Eltern und Großeltern, dass er eine hoch angesehene Persönlichkeit war". In der Ahnentafel erkennt Klaus Krapoll, dass der ledig gebliebene Gormanns "eine abgöttisch geliebte" Halbschwester Gertrud Engels hatte, die 22-jährig im Oktober 1808 den Justizrat Hermann Jungbluth (33) aus Aachen heiratete. Als Hermann-Josef Gormanns am 1. Oktober 1863 das Notariatsamt niederlegte, übernahm/erbte Notar Leonhard Jungbluth, der jüngste Sohn seiner Schwester, das Büro seines Onkels am Markt in Erkelenz, das damals übrigens 2200 Einwohner zählte. Die Krapoll/Boese-Linie, die den Familienplatz im Stiftungskuratorium sichert, entwickelte sich, als Leonhard Jungbluths (1821-1904) Tochter Gertrud den Geheimrat Josef Krapoll aus Immerath heiratete. "Das waren meine Großeltern", weiß Kuratoriumsmitglied Klaus Krapoll, dessen Vater Paul die Krapoll-Kinderstube mit drei Töchtern teilte, wobei eine von ihnen eine Boese-Verbindung einging.
Hört sich vielleicht etwas kompliziert an, ist aber durch Ahnenforschung und Urkunden dokumentiert und gehört in den Aufgabenbereich (Überwachung der Stiftungsgeschäfte) des Kurators, der in der Regel ein Beamter der Stadt Erkelenz ist. Über den langen Zeitraum vom 1. Januar 1982 an, dabei über die Pensionierung 1990 hinaus bis zu seinem Tode am 27. November 2008, bekleidete Stadtkämmerer, Stadt-Verwaltungsdirektor Heinz Generet dieses Amt, das er nicht nur als eine Berufung sah, sondern mit Herzblut à la Gormanns ausfüllte. Diese kontinuierliche Weiterführung der wichtigen Position des Kurators war mit der Ernennung des 1. Beigeordneten der Stadt Erkelenz, Dr. Hans-Heiner Gotzen, sichergestellt, der davon überzeugt ist, "dass Hermann-Josef Gormanns heute sicher stolz darauf wäre, was aus seiner Stiftung geworden ist".
Das bestärkt Peter Jansen, Stiftungsvorsitzender und Erkelenzer Bürgermeister, im sehr modern gestalteten und informativen Internetauftritt des Hermann-Josef-Krankenhauses in geradezu philosophischer Kürze für den Fall eines Falles: "Bei uns liegen Sie richtig." Und fügt hinzu: "Die Hermann-Josef-Stiftung ist Ihr starker Partner für die Gesundheit und den Menschen bei uns. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit den vielen Fachabteilungen und den weiteren zur Stiftungen gehörenden Einrichtungen den kranken und bedürftigen Menschen in unserer Stadt und in der Region ein hoch qualifiziertes medizinisches und pflegerisches Leistungsspektrum eines modernen Gesundheitszentrums zur Verfügung stellen." Die vier Säulen der Hermann-Josef-Stiftung sind das Krankenhaus, das Altenheim, das ambulante Pflege-Zentrum und das Hospiz.
Dass das Vermächtnis und der Weitblick des Stifters Hermann-Josef Gormanns durch die zerstörende Tragik zweier Weltkriege (u.a. Ausbombung des ursprünglichen Krankenhausgebäudes am Zehnthofweg durch britische Flugzeuge am 23. Februar 1945) allenfalls temporär eingeschränkt aufgehalten, aber keineswegs gestoppt werden konnte, dafür trugen Ordensfrauen und engagierte Bürger über Jahrzehnte hohe Verantwortung. Der Evakuierung nach Querfurth in Sachsen (1944), der Notunterbringung in der ehemaligen Schule an der Martin-Luther-Straße in Hückelhoven (1945) sowie der Einrichtung eines Notkrankenhauses im Kindergarten an der Westpromenade in Erkelenz folgte dem Ratsbeschluss vom Januar 1949 der Neubau des Hermann-Josef-Krankenhauses auf dem Gelände zwischen Tenholter Straße, Goswinstraße und "Am Schneller". Die Innere Abteilung nahm ab 1950 als erste ihre Arbeit an neuer Stelle auf. Die Inbetriebnahme des Operations- und des Neubautraktes mit 144 Betten war dann gleichbedeutend mit der Auflösung des Notkrankenhauses in Hückelhoven (August 1952). Die Zeit des Neuaufbaus, aber auch der Erweiterung zieht sich in der Stiftung am Bedarf und am medizinischen Fortschritt orientiert durch die folgenden Jahrzehnte wie ein roter Faden, der wohl nie enden wird. Der Umzug des Krankenhauses Immerath, das den Braunkohlebaggern weichen musste, wurde 2009 vollzogen. Eine deutschlandweit beachtete Aktion, schließlich gehört die Umsiedlung eines kompletten Krankenhauses nicht zu den Alltäglichkeiten.
Ab Frühjahr 2017 wird die aktuelle Bettenzahl des Hermann-Josef-Krankenhauses von 371 auf 409 Betten gestiegen sein, bekundet Verwaltungsdirektor Jann Habbinga (37), der am 1. Januar 2015 die Nachfolge von rund 1100 Mitarbeiter (davon ca 700 Vollzeitkräfte) trägt, die in diesen Kliniken tätig sind: Allgemein- und Viszeralchirurgie (DarmCentrum), Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie, Kardiologie (Herz- und Gefäßzentrum), Gynäkologie/Geburtshilfe (BrustCentrum), Anästhesie- und Intensivmedizin, Geriatrie mit Tagesklinik, Palliativmedizin, Neurologie, Unfallchirurgie (Traumazentrum), Urologie, HNO, Augenheilkunde. Jann Habbinga bewertet den aktuellen Status so: "Diese Vielfalt und die umfangreiche Fachkompetenz sind das Besondere an der Stiftung, die als Träger kurze Entscheidungswege zulässt und eben nicht Aktionäre bedienen muss. Gleichzeitig sind wir uns aber auch der hohen Verantwortung bewusst, die wir als größer Arbeitgeber und Ausbilder in der Stadt Erkelenz haben, denn neben der Krankenpflegeschule mit über 125 Plätzen sind wir zusätzlich akademisches Lehrkrankenhaus der Uniklinik Aachen."
Wenn man so will, dann steht die Hermann-Josef-Stiftung für einen kompletten Lebensrhythmus: Geburtshilfe, Kompetenz in der Behandlung von Krankheiten, alltägliche oder pflegerische Hilfe durch das ambulante Pflegezentrum, Einrichtung eines umsorgten Lebensabends im Hermann-Josef-Altenheim, das seinen Vermögensgrundstock aus der "Kathrinchen-Hardy-Stiftung" (die ehemalige Wirtin von der Kölner Straße stiftete 90 000 Mark) hat, schließlich das Hospiz, in dem man sich sehr darum bemüht, das Lebensende "erlebbar" zu machen.