Erkelenz In Erinnerung an St. Martinus

Erkelenz · Montagmorgen will RWE Power mit dem Abbruch der einstigen Kirche von Borschemich beginnen. Dann soll das frühere Dorf im Osten von Erkelenz dem Tagebau Garzweiler II weichen. Wir haben mit verschiedenen Menschen über ihre Erinnerungen an die Kirche gesprochen.

Das ist die Kirche St. Martinus in Borschemich
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Das ist die Kirche St. Martinus in Borschemich

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Corinna Dautzenberg: Mit St. Martinus verbinde ich so viel, da ist es schwer, nur kurz Stellung zu nehmen. St. Martinus Borschemich wird immer eine große Bedeutung für mich haben. Hier wurde ich getauft, bin zur Kommunion gegangen und war viele Jahre als Messdiener tätig.

Der Vorplatz der Kirche und natürlich die große Magnolie, luden alle Kinder zum Spielen ein. Mein Mann und ich sind die letzten, die in Borschemich kirchlich geheiratet haben. Meine Großeltern feierten die letzte große Goldhochzeit.

St. Martinus: Kirche in Alt-Borschemich ist entwidmet
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St. Martinus: Kirche in Alt-Borschemich ist entwidmet

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Foto: Renate Resch-Rüffer

Hans Jürgen Goebels, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Borschemich: Wenn auch der Abriss unserer Pfarrkirche St. Martinus — oder der Rückbau, wie es RWE nennt — unumstößlich ist, so ist es doch ein trauriger und von Emotionen geprägter Augenblick, wenn die Bagger ansetzen, um das letzte und bedeutendste Wahrzeichen unseres alten Heimatdorfes dem Erdboden gleichzumachen. 40 Jahre habe ich in unmittelbarer Nähe der Kirche gewohnt.

Ich bin mit dem Glockengeläut morgens, mittags und abends sowie den Glockenschlägen der Turmuhr aufgewachsen. In der Pfarrkirche St. Martinus bin ich getauft, zur Ersten Heiligen Kommunion gegangen und gefirmt worden, ich habe dort geheiratet, und die Exequien für meine Großeltern und Eltern sind in dieser Kirche gehalten worden. Als Kinder haben wir in den Kirchenanlagen gespielt. Viele Jahre war ich Messdiener und seit 2003 Wortgottesdienstleiter. Mit großer Hingabe haben meine Mutter Maria (von 1985 bis 2001), mein Vater Heinrich (von 2002 bis 2009) und mein Bruder Heinz-Willi (seit 2010) den Küsterdienst an St. Martinus ausgeübt. Auch wenn in Borschemich (neu) eine Kapelle gebaut worden ist, so ist diese kein Ersatz für "meine Kirche" in Alt-Borschemich. Meine glücklichen, aber auch traurigen Erinnerungen an die Pfarrkirche St. Martinus werden mir für immer erhalten bleiben.

Sabine Rosen: Die Pfarrkirche St. Martinus Borschemich ist für mich Heimat im engsten Sinne. Taufen, Kinderkommunion, Firmung, Hochzeit und feierliche Christmetten zu Weihnachten. Die Kirchenanlagen mit ihren Grotten und dem großen Baumbestand runden diese Erinnerung ab. Als Kinder haben wir dort zu jeder Jahreszeit gespielt, und im Winter war der Kalvarienberg die beste Schlittenbahn von Borschemich und Treffpunkt aller Kinder und Jugendlicher.

Borschemich: Ein Dorf stirbt für den Tagebau
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Borschemich: Ein Dorf stirbt für den Tagebau

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Foto: Laaser, Jürgen

Gertrude Hurtz, früher Vorsitzende Pfarrgemeinderat Borschemich: Die beiden großen Fahnen, die bei Festlichkeiten oben am Kirchturm hinausgehängt wurden, waren verschlissen. Ein Pfarrgemeinderatsmitglied nähte neue Fahnen. Zum ersten Mal wurden sie an einem Osterfest in den 1990er Jahren hinausgehängt. In dem Jahr hatten wir in unserer Kirche eine Osternachtfeier mit anschließender Agape-Feier. Wir reichten dazu Brot und Wein.

Es war eine schöne Feier, und die neuen Fahnen wehten vom Kirchturm. Im Laufe des Abends wurde es stimmungsvoller, und wir sangen mit Blick auf die Fahnen im Chor: Wenn die bunten Fahnen wehen. Auf dem Nachhauseweg meinten unsere Kinder, dass man mit solchen Eltern nicht einmal zur Kirche gehen könne, ohne sich zu blamieren. Über das Fest wird bis heute gesprochen, und es blieb bei uns allen in schöner Erinnerung. Vielleicht können wir Ähnliches eines Tages in Borschemich (neu) wiederholen.

Hiltrud Friedrichs: Ich wurde in dieser Kirche getauft, ging dort zur Kinderkommunion und zur Firmung, und unsere Trauung fand auch dort statt. Das gleiche gilt für unsere Tochter: Taufe, Kommunion, Firmung. Was einfach unvergesslich ist, sind die Christmetten und Osterfeiern damals — ab dann war wirklich für uns alle Weihnachten oder Ostern. Die Kirche ist das letzte Stück Heimat.

Haus Paland in Borschemich
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Haus Paland in Borschemich

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Foto: Laaser, J�rgen

Hans Willi Schulte, Brudermeister St.-Martinus-Schützenbruderschaft: Denke ich zurück an die Zeit meiner Jugend, als ich in St. Martinus als Messdiener tätig war, bleibt mir insbesondere in Erinnerung der Weg nach der späten Christmette am Heiligen Abend.

Und als aktuelle Erinnerung bleibt: Vor dem Entwidmungsgottesdienst 2015 haben wir zu dritt Steine aus dem Mauerwerk des Chorhauses herausgebrochen, um diese den Gottesdienstbesuchern als stetige Erinnerung an St. Martinus mitgeben zu können. Nach über 100 Jahren die "erste Hand an den Abriss zu legen", war schon ein sehr schmerzliches Empfinden!

Frank Korsten, Schützenprinz und Freiwillige Feuerwehr: In der Kirche in Borschemich (alt) bin ich getauft worden und habe dort meine Erstkommunion erhalten. Bis zu meinem 18. Lebensjahr war ich in St. Martinus Messdiener und habe so auch viel Zeit bei Messdienerproben oder andern Veranstaltungen dort verbracht.

Ralf Cremer, ehemaliges Pfarrgemeinderatsmitglied und Mitglied des jetzigen Kapellenvorstands: Wie viele andere Borschemicher auch, erinnere ich mich gerne an die heiligen Sakramente, welche ich in unserer alten Pfarrkirche empfangen durfte. An meine Taufe habe ich verständlicherweise nur Erinnerungen, die auf den Erzählungen meiner Eltern beruhen, aber an meine Erste Heilige Kommunion, die Firmung und meine Eheschließung denke ich voller Wehmut zurück. In den 1980er Jahren war meine Mutter außerdem Küsterin an St. Martinus, und ich habe dann häufig das alte mechanische Uhrwerk der Turmuhr aufgezogen. Die Stahlseile der drei schweren Gewichte mussten dabei im Turm wieder aufgetrommelt werden. Das war eine ganz schöne Kurbelei.

In diesen Jahren bin ich auch an Silvester, kurz vor dem Jahreswechsel, in den Glockenturm gestiegen, um das neue Jahr einzuläuten. Von da oben hatte man einen tollen Ausblick, und ich konnte das Geläut in Verbindung mit dem Feuerwerk genießen. Klasse! Später sind dann auch meine beiden Kinder in der Pfarrkirche getauft worden und haben dort die Heilige Erstkommunion empfangen. Beide hatte ich als Katechet auf die Erstkommunion vorbereitet. Das alles sind Erlebnisse, die untrennbar mit diesem Gotteshaus verbunden sind und die man nie mehr vergisst.

Helmut Schulte: Ich möchte weiter nichts dazu beitragen. Nur tiefe tiefe Traurigkeit und Resignation, die mich schon lange einnimmt. Man sollte Menschen nicht ihre Heimat nehmen, das weiß ich jetzt. Mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.

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