Erkelenz Leben auf dem Wasserturm

Erkelenz · In Erkelenz entsteht eine ganz besondere Wohnung. Ein Ehepaar aus Mönchengladbach verwirklicht sich im alten Wasserturm einen Traum. Mit einem sehr ehrgeizigen und fantastischen Projekt.

Es gibt Momente, da fragt er sich schon: "Warum tue ich mir das eigentlich an?" Aber dann, wenn er sieht, wie die Arbeiten langsam, aber Stück für Stück vorangehen, wenn er oben in schwindelerregenden 40 Metern auf dem offenen Baugerüst steht, um die Turmspitze herumgeht, auf Erkelenz und Umgebung blickt oder bei klarem Wetter mit dem Fernglas bis in die Eifel oder zum Bergischen Land schauen kann, dann weiß er genau, warum er sich das alles antut: Weil er in einem knappen Jahr dort oben wohnen wird und Tag für Tag die Früchte dessen genießen kann, was jetzt Tag für Tag so viel Zeit und Mühe erfordert – aber auch ungeheuer viel Herzblut.

Der 48-Jährige, der noch in Mönchengladbach lebt und in Geilenkirchen eine Firma hat, die u. a. für die Automobilindustrie Spezialtechnik entwickelt und produziert, verwirklicht sich mit seiner Frau einen Traum. Keinen Lebenstraum, sondern einen, der entstand, als er in der Zeitung las, dass in Erkelenz ein alter Wasserturm zu kaufen sei. "Wir hatten schon länger eine besondere Wohnstätte gesucht", sagt der promovierte Diplomingenieur. "Nichts Exklusives, aber schon etwas Ausgefallenes." Und ausgefallen ist das Projekt an der Neusser Straße wirklich. Wohnen im Wasserturm gibt es auch in Uevekoven – aber nicht ganz oben unter der Kuppel. Dort, wo noch vor einer Woche der 200 000-Liter-Wassertank war, der einmal den Druck für die Wasserversorgung besorgte, aber seit einigen Jahren nicht mehr gebraucht wurde. Die West Energie und Verkehr wollte das Erbe des Wasserwerks Erkelenz veräußern. Es gab etliche Interessenten und Pläne: vom Wohnhaus mit mehreren Wohnungen bis zum Restaurant unter der Kuppel, auch mit einem daneben gebauten Hotel. "Doch letztlich war alles nicht wirtschaftlich", sagt West-Geschäftsführer Markus Palic. Am Ende kaufte 2007 der Unternehmer aus Mönchengladbach den Wasserturm für eine fünfstellige Summe. Um den Traum zu verwirklichen – für einen Preis, "der nicht über einem Einfamilienhaus liegt".

Das Ganze ist eine "technische Herausforderung, sehr ehrgeizig und aufwendig – aber fantastisch", sagt Markus Palic bewundernd. Denn der Wassertank oben im Turm konnte nicht einfach entfernt werden: Er sorgte für die statische Stabilität des ganzen Gebäudes. So wurde nach dem Baubeginn am 4. Februar dieses Jahres zuerst eine stählerne Hilfskonstruktion errichtet, die die Statik wahrte und vergangene Woche die Demontage des Tanks ermöglichte, der jetzt durch Betonteile ersetzt wird. Anschließend werden zwei Betondecken eingezogen, auf denen die beiden Wohnebenen entstehen: zusammen 120 Quadratmeter, zu drei Achteln auf sechs Meter Höhe verglast. "Mehr war nicht rauszuholen, weil die Denkmalschützer darauf achten mussten, dass der äußere Eindruck erhalten bleibt. Doch die Zusammenarbeit mit Stadt und Feuerwehr war sehr gut. Es gibt zwar viele Auflagen, aber uns wurden nicht Steine vor die Füße geworfen", sagt der Ingenieur, der mit dem Hückelhovener Franz-Peter Greven natürlich einen Architekten und mit Christoph Hellwig aus dem Büro Sommer einen für ihn "sehr wichtigen" Statiker hat, der sich aber auch täglich selbst um den Bau kümmert.

Und nun mit seiner Frau schon mal überlegt, wie in der minimalistischen Einrichtung ("viel Glas und Licht") die Sofas platziert werden: "Nicht so, dass wir nach innen blicken, sondern nach draußen. So, dass wir die Umwelt hereinholen", sagt er.

(RP)
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