Dieses Jahr steht im Zeichen des Pferdes, weshalb hier alles mit Pferdebildern, Pferdestatuen, Pferdefotos dekoriert ist. Auch wenn das "offizielle" Neujahr schon am 30. Januar war, hält die Feierstimmung jetzt mehrere Wochen an. Jeden Tag werden Ausflüge mit der gesamten Familie gemacht, so dass nicht nur die Großeltern, Onkel, Tanten und deren Kinder einbezogen werden, sondern alle Menschen, die auch nur um die entfernteste Ecke mit der Familie verwandt sind. Da wird es oftmals sehr laut, da jeder zu Wort kommen möchte, aber es ist sehr interessant, diese Eindrücke aufzunehmen und dabei tiefer in die Kultur einzutauchen und die Sprachkenntnisse zu verbessern.

An Neujahr gab es sowohl zum Mittag- als auch zum Abendessen zwölf Speisen. Diese symbolisieren die zwölf Monate eines Jahres. Zum Frühstück gab es runde süßliche Klöße. Auch die Spiegeleier waren in eine runde Form gepresst worden, weil so das Jahr im Kreis verlaufen kann. Den Neujahrstag haben wir abends hauptsächlich damit verbracht, die Neujahrsgala im Fernsehen anzuschauen, in der viele Kunststücke, Vorführungen und Lieder vorgetragen wurden. Um Mitternacht — aber natürlich auch schon davor — wurden Feuerwerkskörper gezündet und der Himmel war in buntes Licht getaucht.

Meine Familie hat sich dieses Jahr bewusst gegen das Ritual entschieden, da sie mir erklärten, dass die Luftverschmutzung dadurch noch mehr ansteigen würde. Wie Recht sie hatten. Als ich am nächsten Morgen aus dem Fenster schaute, sah ich — nichts! Die Welt war in weißen Nebel getaucht und der alltägliche Smog hatte eine noch nie zuvor vorhandene Dichte angenommen.

Die Verschmutzung ist übrigens ein Grund dafür, dass hier der Sport im Alltag fast ganz entfällt. Im Schulsportunterricht lernen wir Tai Chi, aber das ist kein Sportersatz, weil er nicht auf Bewegung setzt, sondern auf das Finden der inneren Kräfte. In der raren Freizeit joggen zu gehen, stellte sich aufgrund der Luftverschmutzung leider als unmöglich heraus. Einige Freunde von mir gaben das Joggen nach einigen Wochen auf, weil sie Schluckbeschwerden durch ein Kratzen im Hals bekamen. Bewegung an der "frischen" Luft ist kaum möglich.

Schon vor dem Neujahr waren wir damit beschäftigt, Dekoration einzukaufen, da Symbole in China sehr, sehr wichtig sind. So stehen zwei Fische zum Beispiel für Reichtum (aufgrund der ähnlichen Aussprache), die Farbe rot ist weitgehend als "Glücksfarbe" beliebt und es gibt noch viele andere Dinge, durch die Glück symbolisiert wird.

In den folgenden Tagen haben wir meist Familienausflüge gemacht. So ging es in ein neues Einkaufszentrum, das schlichtweg riesig ist und mit keinem anderen Gebäude verglichen werden kann, das ich bisher gesehen habe. Auch Harrods in London oder Lafayette in Paris erscheinen dagegen klein. An einem weiteren Tag sind wir in einen Park gegangen, der mit einem Weihnachtsmarkt verglichen werden kann.

Es war sehr interessant, was man dort alles erleben konnte: Am Abend, als es dunkel wurde, gab es eine Lichtershow, bei der bunte Lampions an Stäben bei einem Umzug durch die Straßen getragen wurden. Zusätzlich erstrahlten erbaute Kulissen in wundervollem bunten Licht und vor diesen schimmernden Bildern wurden Theaterstücke aufgeführt. Der Zusammenhalt ist sehr wichtig, so dass die gesamte Familie die Neujahrstage zusammen verbringen möchte. Entsprechend ist die relativ kleine Wohnung mit weit angereisten Gästen überfüllt, so dass wir an manchen Tagen zu dritt in einem Bett schlafen mussten. Diese Überfüllung erzeugt eine ansteckend gute Laune. Ich genieße es sehr.