Kommentar "Nun wird es Wahrheit"

Kommentar · Wichtiger Punkt in der Geschichte

Als einen "unwiederbringlichen Schritt" bezeichnet Dr. Hans-Heiner Gotzen, Erster Beigeordneter von Erkelenz, den Beginn der Abrissarbeiten am Rittergut in Pesch. "Es wird nun Wahrheit, dass ein Stück unserer Heimat verloren geht." Er fordert auf: "Wir dürfen an diesem gravierenden Schritt nicht verhaften, sondern müssen den Menschen an den neuen Orten eine Perspektive bieten."

Die bevorstehenden Arbeiten in Pesch sollen die verbliebenen Bewohner so gering wie möglich belasten, sagt RWE. Deren Pressesprecher Andre Bauguitte erklärt: "Die vorbereitenden Arbeiten haben begonnen, der eigentliche Abriss erfolgt ab etwa nächster Woche." Gewiss sein dürften die Einwohner, dass nicht neben oder gegenüber bewohnter Gebäude abgerissen werde. Das sei durch das Rückbaukonzept geregelt. Dass sie überhaupt in einem Ort leben, in dem schon Häuser für den herannahenden Tagebau fortgenommen werden, habe gute Gründe: "In so großen Anlagen wie dem Rittergut haben wir vermehrt Vandalismus und Fremdmüll, der abgeladen wird. Wir haben in Pesch sehr früh mit dem Rückbau begonnen, um die anderen Bewohner nicht dadurch zu belasten."

Ein positiver Nebeneffekt nutzt den Archäologen. Abgerissen wird das Gut lediglich bis zur Bodenplatte, was Bau- und Denkmalpfleger begleiten. Danach kommen die Archäologen, um das Bodendenkmal zu untersuchen und kartografieren. "Sie bekommen für ihre Arbeit dadurch mehr Zeit", sagt Andre Bauguitte.

Mehr als 50 Haushalte hat es einst in Pesch gegeben, 45 sind laut Hermann-Josef Felten aus dem Bürgerbeirat bereits aufgegeben worden. Viele Nachbarn hatten früher Katzen, die mit umgesiedelt sind. "Zehn bis 15 Katzen füttern wir heute hier im Ort, die sind die fünf bis acht Kilometer wieder zurückgekommen", erzählt Felten und ergänzt: "An den Tieren sieht man, was Heimatverlust ist."

In der Geschichte der Stadt Erkelenz wird der gestrige Tag einmal einen wichtigen Punkt markieren: Mit dem Abrissbeginn des ersten Gebäudes auf heimischem Boden für den nahenden Braunkohletagebau wurde aus einer langen Diskussion um das Für und Wider des Tagebaus und dessen Folgen für die Kultur- und Naturlandschaft Realität. Dass zuerst ein markantes Gebäude, ein Rittergut mit Geschichte bis zurück ins Jahr 1265, abgetragen wird, weckt bei den Menschen im Erkelenzer Lande ein erstes Gefühl davon, was in den nächsten Jahren in etlichen Orten südöstlich der Innenstadt, die umgesiedelt werden, geschehen wird.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort