Hückelhoven Schockiert von den Orten des Grauens

Hückelhoven · Oberstufenschüler des Hückelhovener Gymnasiums schilderten bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus ihre beklemmenden Eindrücke beim Besuch der Konzentrationslager in Auschwitz und Birkenau.

 Bei der Hückelhovener Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag sprach Marie Gassner über die Erfahrungen der Oberstufenschüler auf ihrer Studienfahrt ins Konzentrationslager Auschwitz.

Bei der Hückelhovener Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag sprach Marie Gassner über die Erfahrungen der Oberstufenschüler auf ihrer Studienfahrt ins Konzentrationslager Auschwitz.

Foto: Laaser, J�rgen

In schmutzigen Eisenbahnwaggons in stinkenden Exkrementen und Leichenteilen stehen. Auf einem vier Quadratmeter großen Lattenrost mit neun anderen Gefangenen schlafen müssen. In den Gaskammern des berüchtigten Vernichtungslagers dem grausamen Tod nicht ausweichen zu können. Marie Gassner und ihre Mitschüler werden leise und nachdenklich, wenn sie an ihre Studienfahrt zurückdenken, die sie Anfang September in die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau führte.

Bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Brunnenhof des Gymnasiums, zu der die Stadt in jedem Jahr gemeinsam mit Pax Christi einlädt und an der sich Gymnasium und Hauptschule beteiligen, schilderten die Oberstufenschüler ihre Eindrücke. "Es ist etwas völlig anderes, nur die Zahl der Opfer zu lesen oder sich am Ort des Grauens die Bilder der Ermordeten anzusehen", so Marie Gassner. Sie sei für diese Erfahrung sehr dankbar, "denn durch die unvorstellbaren Orte und Bilder, die wir dort gesehen haben, wurde uns allen mehr denn je bewusst, dass es wichtig ist, an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern und dass man nie genug darüber aufklären kann".

Solche unmenschlichen, abscheulichen Taten dürften sich nie wiederholen, sagte die Gymnasiastin. Besonders die Besichtigung der Gaskammern hat sich den Mädchen und Jungen aus der ehemaligen Zechenstadt tief ins Gedächtnis geprägt. Marie Gassner: "An diesem Ort überkam einen ein beklemmendes Gefühl voller Erschrecken und Trauer. Die Vorstellung, auf dem Boden zu stehen, auf dem so viele Menschen auf qualvollste Weise hingerichtet wurden." Hinter einer Glaswand entdeckten die Hückelhovener Jugendlichen riesige Haarberge. "Niemand wusste in diesem Moment etwas zu sagen." Die Teilnehmer der Studienfahrt, die in einem Begegnungszentrum in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers untergebracht waren, führten bei der Gedenkveranstaltung durch eine eindrucksvolle Dokumentation mit Bildern und Texten, die sie im Zuge der Nachbereitung gemeinsam erarbeitet hatten.

Ein zweiter Schwerpunkt war das Thema Euthanasie im Dritten Reich. Larissa Sonntag, Anna Werth und Marvin Volkmer erläuterten hierzu, dass Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag 1935 dem zuständigen Reichsärzteführer Wagner mitgeteilt habe, dass unheilbar Geisteskranke zu beseitigen seien. Die drei Schüler trugen dazu unter anderem Auszüge aus Schriftwechseln vor, in denen sich die Familie der kleinen Ursula Sandgathe anno 1943 besorgt nach dem Zustand des kranken Mädchens in der Klinik erkundigt - und schließlich erfährt, dass das Kind tot ist.

Im Religionsunterricht mit der evangelischen Pfarrerin Christine Wild hatten sich die Hückelhovener Hauptschüler mit dem Umgang mit Behinderung heute auseinander gesetzt. Michelle Rütten und Stefan Toma trugen Gedichte vor.

Bürgermeister Bernd Jansen unterstrich in seiner Ansprache, dass das KZ Auschwitz als Arbeits- und Vernichtungslager mit mehr als einer Million ermordeter Menschen Inbegriff des Holocaust geworden sei. Das Ausmaß an Unmenschlichkeit übersteige jedes Begreifen, so der Verwaltungschef. "Wer die Opfer vergisst, wer den Massenmord leugnet, der tötet die Opfer ein zweites Mal", sagte Jansen. Man dürfe nie nachlassen in dem Bemühen, sich für Menschlichkeit, für die Rechte aller hier lebender Menschen sowie ein gutes, tolerantes Miteinander einzusetzen, forderte Jansen ein. Antisemitismus, Rassismus, Ausgrenzung und Intoleranz seien zurzeit in erschreckendem Maß anzutreffen.

Pax-Christi-Sprecher Hans-Jürgen Knubben erteilte dem AfD-Populisten Björn Höcke eine klare Absage: "Wir brauchen die mit antisemitischen, rassistischen Anspielungen und mit Entlehnungen aus dem NS-Jargon gespickten Hassreden eines Herrn Höcke nicht." Gebraucht werde vielmehr die Erinnerung an die schreckliche Nazi-Zeit. Durch diese Erinnerung, so Knubben weiter, komme man gemeinsam zu einem "Nie wieder".

(cb)
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