Erkelenz Schule braucht Gefühl - Veränderungen nötig

Erkelenz · Musiktherapeutin Dr. Barnowski-Geiser und NRW-Schulministerium öffnen neue Perspektiven für das Verhalten von störenden Schülern.

 Musiktherapeutin Dr. Waltraut Barnowski-Geiser stellte ihre neue Denkweisen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland vor.

Musiktherapeutin Dr. Waltraut Barnowski-Geiser stellte ihre neue Denkweisen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland vor.

Foto: Uwe Heldens

Das Bild ist bekannt: Frank stört den Unterricht. Keine Strafe, keine Belohnung hilft. Oft diagnostizieren Pädagogen und Ärzte schnell AD(H)S. Dr. Waltraut Barnowski-Geiser steht dem kritisch gegenüber. "Die Gefühle und deren Bedeutung auch im Unterricht werden völlig unterschätzt", erklärt sie. Waltraut Barnowski-Geiser ist Musiktherapeutin, Lehrerin an einer Gesamtschule und Lehrbeauftragte an der Universität Köln. "Eine einseitig an Wissen orientierte Schule ist überholt. Die Gefühle und das soziale Umfeld der Schüler in der Familie und in der Klassengemeinschaft müssen eine größere Berücksichtigung bei Pädagogen finden. Der Lebensraum Schule kann nicht mehr allein auf die Überlegung des Pädagogen ,Auf welchen Wegen vermittle ich möglichst viel Wissen' aufgebaut sein."

Ihre neuen Denkweisen stellt Barnowski-Geiser bundesweit und im deutschsprachigen Ausland vor. Das neue Projekt Bel-Kids zur Arbeit mit Schülern aus belasteten Familien, das sie auch über das Schulministerium NRW/Kompetenzteam Mönchengladbach anbietet, biete in speziellen Fortbildungen neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Kindern an. Was geht in diesen Kindern vor? Wie kann ich ihnen helfen? Warum stört der Schüler? "Kinder, die ,nerven' oder ,auffallen' werden heute fast automatisch mit der Diagnose AD(H)S in Verbindung gebracht. Mit dramatischen Folgen: Sie werden ,krankgeschrieben', und um sie ruhig zu stellen, bekommen immer mehr Ritalin verschrieben. Völlig aus dem Blick verloren wird, was in diesen Kindern eigentlich vorgeht, was sie bewegt und was die wahren Gründe für ihr Verhalten sind", sagt Barnowski-Geiser. Es sei erschreckend, wie schnell versucht werde, die Störung im Unterricht auszuschalten, ohne genauer hinzusehen.

Fünf Minuten Zeit als Investition könnten bereits Vieles ändern. "Ein wertschätzendes Gespräch mit dem Schüler ist leistungsfördernder als jede andere Maßnahme. Alles was Beziehung fördert, ist unheimlich wichtig." Es müsse um Ursachen gehen und darum, Konflikte zu lösen.

Kinder äußerten ihre Probleme auf verschiedene Arten, meist nonverbal: der Flüchtende als Träumer oder Schulschwänzer, der Kämpfende, der Störer oder der Erstarrte oder Stille. Den Schüler als Mensch und nicht als Blackbox ansehen, das ist der Wunsch der Musiktherapeutin. "Mein Fernziel ist es, dass sich möglichst viele Lehrer für diese neuartige Perspektive auf Schüler öffnen und zusammen engagieren." Oft höre man im Erwachsenenalter von sogenannten Problemschülern, dass es einen Lehrer in ihrem Umfeld gegeben habe, der an sie geglaubt habe. "Die Ausbildung der Pädagogen muss auf breitere Füße in diesem Bereich gestellt werden. Hier muss die Veränderung bereits ansetzen", sagt die Musiktherapeutin.

(bart)
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