Erkelenz Trennungskinder: mehr Unterhalt

Erkelenz · Ab Januar sollen deutlich mehr Kinder Alleinerziehender Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben, wenn Vater oder Mutter nicht zahlt. Erkelenz rechnet mit einer Verdopplung der berechtigten Kinder.

Die finanzielle Not von Alleinerziehenden in Erkelenz ist in den vergangenen fünf Jahren relativ gleichgeblieben. Zwischen 220 und 240 Elternteile mussten nach einer Trennung einen Vorschuss zum Unterhalt bei der Stadt beantragen, weil das andere Elternteil nicht zahlen konnte oder wollte. Und ab Januar dürfte die Gruppe derer, die diesen Vorschuss von der Stadt bekommen, größer werden. Das Bundeskabinett hatte zuletzt beschlossen, die Altersgrenze für den Unterhaltsvorschuss aufzuheben. Künftig sollen alle minderjährigen Kinder einen Anspruch darauf haben, bisher waren es nur Kinder im Alter bis zu zwölf Jahre. Auch die Bezugsdauer von bisher maximal sechs Jahren wird wegfallen.

Am Beispiel von Erkelenz bedeutet das: Die Anzahl der Bezieher dürfte sich mehr als verdoppeln. Dr. Hans-Heiner Gotzen, der Erste Beigeordnete der Stadt, der die "sozialpolitische Zielrichtung der geplanten Änderung, die Bekämpfung von Kinderarmut in Deutschland, absolut begrüßt", erläutert: "Sichere, belastbare Zahlen zu dem zu erwartenden Mehraufkommen an Leistungsfällen gibt es noch nicht; einer vorsichtigen Schätzung des Städte- und Gemeindebundes zufolge ist mit einer Steigerung auf das etwa Zwei- bis Dreifache der bisherigen Fallzahlen zu rechnen. Beim Amt für Kinder, Jugend, Familie und Soziales gehen wir daher von etwa 500 laufenden Leistungsfällen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz im kommenden Jahr aus."

Auch die Höhe des Unterhaltsvorschusses soll steigen. Ab dem 1. Januar bekommen Kinder bis zu fünf Jahren 152 Euro im Monat (bisher 145 Euro), ältere Kinder 203 Euro (bisher 194 Euro). Und für die neu hinzukommenden Heranwachsenden zwischen zwölf und 17 Jahren steht ein Leistungssatz mit geplanten 268 Euro zur Diskussion, berichtet Gotzen. Das hat Folgen für die Stadtkasse. Der Posten im Haushalt muss gehörig aufgestockt werden. In diesem Jahr sind 495.000 Euro im Kommunalhaushalt enthalten, für das kommende Jahr "sind zunächst Mehrausgaben in Höhe von 205.000 Euro eingestellt. Der Ausgabeansatz beträgt dann 700.000 Euro."

Theoretisch könnte die Stadt sich das Geld von den säumigen Elternteilen zurückholen. Das gelingt allerdings nicht in allen Fällen, in Erkelenz aber besser als in manchen anderen Orten. Gotzen erklärt: "In Erkelenz wird seit Jahren eine intensive Verfolgung der Ansprüche gegen die eigentlich zur Barunterhaltsleistung verpflichteten Elternteile betrieben. So liegt die Rückholquote - das Verhältnis der Einnahmen aus der Anspruchsverfolgung zu den Gesamtausgaben für Unterhaltsvorschussleistungen - in diesem Jahr bei 30,9 Prozent. Zum Vergleich: Sowohl auf Ebene des Regierungsbezirkes Köln als auch auf Landesebene werden durchschnittlich 20 Prozent kaum erreicht." In Summe heißt das, dass Erkelenz sich 2016 rund 140.000 Euro hat zurückholen können. Da es sich bei Unterhaltsvorschussleistungen allerdings um Co-finanzierte Leistungen von Bund, Land und Kommune handelt, blieben für Erkelenz letztlich aber rund 166.000 Euro als Eigenanteil offen.

Nicht immer verweigern säumige Väter oder Mütter die Zahlung einfach, oft stecken sie finanziell auch selbst in der Klemme: Wer nämlich 1500 Euro netto im Monat verdient, darf davon 1080 Euro behalten. Zwei Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren haben derzeit aber nach Abzug des Kindergeldes schon einen Anspruch in Höhe von 578 Euro vom anderen Elternteil - so viel bleibt aber gar nicht übrig. Also muss die Stadt einspringen.

Ein großes Problem ist für die Stadt die Eile, mit der der Bund die Neuregelung nun durchsetzt. Wenn der das Gesetz Mitte Dezember beschließen sollte, blieben nicht einmal zwei Wochen, es umzusetzen. "Bei einer angedachten Beschlussfassung und einem zunächst geplanten Inkrafttreten der Änderung zum 1. Januar 2017 ist es nahezu unmöglich, die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine fristgerechte Umsetzung zu schaffen. Dabei ist zu bedenken, dass ohnehin alle laufenden Unterhaltsvorschuss-Leistungsfälle aufgrund der Änderungen bei der Höhe des Kindergeldes wie auch der Höhe der Unterhaltsvorschuss-Ansprüche neu berechnet und beschieden werden müssen. Nach meinen Informationen hat inzwischen aber auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aufgrund des massiven kommunalen Widerstandes das Gesetzgebungsverfahren gestoppt", erklärt Hans-Heiner Gotzen, hoffend auf eine für die Kommunen längere Vorbereitungszeit auf die Änderungen: "Aber selbst bei einem Inkrafttreten der Änderungen zum 1. Januar werden wir alles daran setzen, den Bürgern eine rasche Antragsannahme und Sachbearbeitung anzubieten. Dabei wird eine Priorität allerdings auf die Bearbeitung der Anträge von Elternteilen liegen, die keine ergänzenden Hartz-IV-Leistungen bekommen. Denn bei Hartz-IV-Beziehern stellen die Unterhaltsvorschuss-Leistungen anrechenbares Einkommen dar. Insofern kann hier in Absprache mit dem Jobcenter möglicherweise vereinbart werden, dass das Jobcenter zunächst auf die Anrechnung dieser Leistungen als Einkommen verzichtet, quasi in Höhe dieser Leistungen zunächst in Vorleistung tritt, und später über sogenannte Erstattungsansprüche unter Sozialleistungsträgers diese Vorleistungen ersetzt bekommt. Dies wäre die bürgerfreundlichste Lösung."

(RP)
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