Erkelenz Wie die Schwalm besser wurde

Erkelenz · So manches Kind soll früher in der Schwalm schwimmen gelernt haben. Heute wird der Fluss, der sich zwischen Genhof und dem niederländischen Swalmen durch die Landschaft schlängelt, als Ausflugsziel genutzt.

 Die Schwalm, hier bei Brüggen, ist rund 46 Kilometer lang. Bei Swalmen in den Niederlanden fließt sie in die Maas.

Die Schwalm, hier bei Brüggen, ist rund 46 Kilometer lang. Bei Swalmen in den Niederlanden fließt sie in die Maas.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Bruno Schöler von der Landwirtschaftskammer NRW erinnerte an die Anfänge des Schwalmverbands: 1917 herrschte Krieg. Durch Missernten, eine Kartoffelfäule im Herbst 1916 und die Seeblockade Englands, die Deutschland von Einfuhren jeglicher Art abschnitt, hungerten viele Menschen. Der Winter 1916/17 ging als "Steckrübenwinter" in die Geschichte ein - die Deutschen ernährten sich von Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf und Steckrübenbrot.

Um mehr Lebensmittel anbauen zu können, wollte man mehr Flächen für die Landwirtschaft nutzbar machen. Pläne zur Melioration (Verbesserung) der Schwalm hatte schon das preußische Kulturbauamt gemacht. Die Schwalm wurde begradigt und vertieft, man legte künstliche Entwässerungsgräben an. 1917 wurde die Schwalm-Meliorationsgenossenschaft gegründet, deren Aufgabe es war, die Schwalm von der Grenze bis zum Oebeler Bruch auszubauen. Bis 1939 schritt die Melioration fort. Um weitere Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, wurden die Schwalmauen entwässert und gerodet. "Es ging nicht darum, die Landwirtschaft nach vorn zu bringen, sondern der Bevölkerung was auf den Teller zu bringen", betonte Schöler beim Festakt.

Die Melioration führte zu vielen Problemen: Das Wasser floss schneller dahin. Der Grundwasserspiegel sank, Seen verlandeten. Die Auen waren zerstört, sie boten keinen Hochwasserschutz mehr. Auch wurden immer mehr Abwässer in die Gewässer geleitet. Die Artenvielfalt ging zurück. Auch der Landwirtschaft nützte die Melioration nicht: "Die Flächenqualität blieb gleich, das liegt am nährstoffarmen Boden", erläuterte Schwalmverbands-Geschäftsführer Thomas Schulz.

Nach und nach wuchs der Wunsch, aus der Schwalm wieder ein ökologisches Gewässer zu machen. In den 1960er Jahren entstand das Naturschutzgebiet Elmpter Schwalmbruch. Eine Orchideenart, die sonst nirgends auf der Welt vorkommt, konnte so gerettet werden, wie Ansgar Reichmann, Leiter der Biologischen Station Krickenbecker Seen, gestern berichtete.

Der Schwalmverband baute den Borner See aus, der durch Torfaushub entstanden und dann verlandet war. Mühlenweiher wurden entschlammt, Fischaufstiegstreppen gebaut. Renaturierte Flächen - etwa in den Dilborner Benden bei Brüggen und entlang des Kranenbachs in Amern - sind natürliche Überflutungsflächen geworden, die vor Hochwasser schützen. Viele Tiere und Pflanzen sind zurückgekehrt an die Schwalm: 27 Fischarten sind mittlerweile wieder in der Schwalm nachzuweisen. Gebirgsstelze und Eisvogel haben hier einen Lebensraum gefunden. 18 Biberfamilien bauen inzwischen ihre Wohnburgen an der Schwalm. Die grüne Flussjungfer, eine fast ausgestorbene Libellenart, lebt wieder hier. Reichmann: "Vielleicht wird bald auch der Fischotter wieder an der Schwalm heimisch sein, das ist gar nicht so unwahrscheinlich."

Heute ist die Schwalm "ein wunderschöner Landstrich, eine Gegend, die man gerne besucht", sagte Verbandsvorsteher Pusch, "daran hat der Schwalmverband seinen Anteil". Nun gelte es, dieses Kleinod zu erhalten. Pusch: "Die Schwalm ist ein kleiner Fluss, aber nicht zu unterschätzen. Weil sie so klein ist, braucht sie große Unterstützer."

(RP)
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