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RP-Serie 70 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs (Teil 6) "Wir Kinder hielten Brandwache"

Erkelenz · Leo Lemmen aus Granterath erinnert sich an die ersten Luftangriffe, die Evakuierung und die Rückkehr in ein schwerbeschädigtes Haus im Jahr 1945.

 Als Leo Lemmen nach Erkelenz zurückkehrte, war die Paterskirche (l.) zerstört. Heute ist dort ein Gebäudeflügel der Hauptschule. Im Hintergrund steht die teils zerstörte Leonhardskapelle. Ans Ende des 2. Weltkriegs in Erkelenz vor 70 Jahren erinnert der Heimatverein morgen, 26. Februar, 19 Uhr, mit einem Vortragsabend im Alten Rathaus.

Als Leo Lemmen nach Erkelenz zurückkehrte, war die Paterskirche (l.) zerstört. Heute ist dort ein Gebäudeflügel der Hauptschule. Im Hintergrund steht die teils zerstörte Leonhardskapelle. Ans Ende des 2. Weltkriegs in Erkelenz vor 70 Jahren erinnert der Heimatverein morgen, 26. Februar, 19 Uhr, mit einem Vortragsabend im Alten Rathaus.

Foto: Schmitter/Heimatverein

In unserem kleinen Haus mussten wir im Krieg zwei Soldaten aufnehmen. Gerne haben wir mit denen lustige Spiele gemacht. Und zunächst ging alles noch sehr friedlich zu. Das änderte sich, als die Alliierten anfingen, Städte zu bombardieren. Von hier aus konnten wir in klaren Nächten sehen, wenn Köln das Angriffsziel war. Der Himmel war dann hell erleuchtet von unzähligen Scheinwerfern, die versuchten, Flugzeuge zu erwischen.

Einige Sprengbomben trafen im Laufe der sechsjährigen Kriegszeit auch unser Dorf. Schätzungsweise zehn Stück, und auch Brandbomben wurden in sehr großer Zahl abgeworfen. Diese waren etwa 70 Zentimeter lang, sechseckig, mit einem Durchmesser von etwa neun Zentimetern - von denen aber zündeten die meisten nicht. Das waren verbotenerweise für uns Kinder willkommene Spielzeuge. Wir haben sie gesammelt und zu unserem Versteck ins "Nachtigallental" gebracht, wo unsere Eltern, Lehrer und der Pastor uns nicht so leicht erwischten. Sie wogen zwei Kilogramm und waren aus einem silbergrauen Kunststoff gefertigt.

Einmal in der Woche zogen wir Jungen ab zehn Jahren als Jungvolk in Reih und Glied, mit einer Pauke voran, durchs Dorf in den Wald. Dort angekommen, wurden Spiele wie Anschleichen und eine Fahne erobern gemacht. Als dann die Amerikaner immer mehr die Lufthoheit erreichten, wurde es gefährlich, sich draußen aufzuhalten. Ich stand in der Zeit nach der Schule meistens vor unserer Eingangstür und meldete meiner Mutter, wenn Flieger in der Luft waren. Auch mussten Kinder, die in der Nähe der Schule wohnten, dort Brandwache halten. Wir haben dabei vor der Schule gestanden und einem Luftkampf zwischen einem deutschen Flieger und seinem Gegner beobachtet - dabei ist der abgeschossen worden und in der Nähe von Hetzerath abgestürzt.

Ein Problem war zu wissen, wer in der Nachbarschaft den sichersten Keller hatte, in den wir bei einem Alarm flüchten konnten. Wir haben nach und nach die ganzen Keller und auch den eigenen ausprobiert. Aber man war nirgendwo sicher.

Als Ende 1944 die Front immer näher kam, mussten wir unser Dorf verlassen ... [zunächst ging es nach Wanlo, dann zu Fuß zurück zum Erkelenzer Bahnhof und mit einem Evakuierungszug nach Löbejün in Sachsen-Anhalt] ... Im Erkelenzer Bahnhof war schon eine Menge los. Panik entstand, als ein tieffliegender Bomber eine Bombe in der Nähe abwarf. Daraufhin flüchteten wir zum Bunker der Firma Wirth. Als dann der Zug kam, wurde eilig eingestiegen ... [in Löbejün wurde Lemmens Familie zunächst in einer Turnhalle untergebracht] ... Dann wurden wir zu einer Familie zwangseingewiesen.

Das Wohnzimmer dieses älteren Ehepaars war nur mit wertvollen alten Möbeln eingerichtet. Wir merkten die Ablehnung uns gegenüber, und deshalb haben wir, als die Einweiser weg waren, unsere Sachen gepackt und sind wieder in die Turnhalle gezogen. Schließlich hat uns ein Beamter mit zu sich nach Hause genommen. Dort wurden wir - etwa vier Monate - bis April 1945 auf das Herzlichste bewirtet. Dann wurde die Grenze zur damaligen russischen Zone nach Westen verlegt, und wir mussten in ein neues Quartier bei Helmstedt, in das Dorf Jerxheim, ziehen.

Nach weiteren vier Monaten, im August 1945, konnten wir endlich wieder nach Hause. Wir haben mit mehreren Familien aus Granterath, Hetzerath und einer Familie aus Bellinghoven bei der Bahn einen großen Viehwaggon gemietet, der groß genug war, um unsere ganzen Habseligkeiten unterzubringen. Damit ging es - mit mehreren Unterbrechungen, weil wir öfter unterwegs auf Abstellgleise geschoben wurden - innerhalb von vier Tagen nach Erkelenz zurück.

In Granterath angekommen, stellten wir fest, dass unser Haus durch einen Bombentreffer schwer beschädigt war. Doch wir konnten uns noch notdürftig einrichten. Spannend war für uns Kinder, was der Krieg an Ausrüstung hinterlassen hatte.

Munition lag haufenweise herum, auch zerschossene Panzer standen in Feld und Wald. In einem waren an den Seiten noch einige Granaten angebracht ... [die Kinder spielten mit dem darin befindlichen Pulver] ... Aus heutiger Sicht haben wir damals gefährlich gelebt, aber unser Schutzengel hat uns vor Schaden bewahrt.

(RP)
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