Erkrath Als in Erkrath die Kirche brannte

Erkrath · Am 18. Juni 1855 hatte der Blitz in den Turm der katholischen Kirche eingeschlagen. Die Kirchturmspitze wurde abgesägt.

 Der Kirchturm war vor dem Brand im Jahre 1855 bedeutend höher.

Der Kirchturm war vor dem Brand im Jahre 1855 bedeutend höher.

Foto: Stadtarchiv Erkrath / Sutton Verlag

Es brennt. Man schlägt Alarm. Dann kommt hoffentlich schnell die Feuerwehr. Und wenn es gut läuft, geht alles ohne allzu großen Schaden ab. So ist es heute - aber so war es längst nicht immer. Was Horst-Ulrich Osmann über den Brand des Johanniskirchturms berichtet, spricht eine gänzlich andere Sprache. "Das sind natürlich auch Geschichten, die nicht unbedingt mit dem wirklich Geschehenen übereinstimmen", räumt der Hobbyhistoriker ein.

Erzählen wollen wir sie trotzdem. Schließlich berichten sie aus einer Zeit, in der noch so manches anders lief. Denn bei besagtem Kirchturmbrand im Jahre 1855 rief nun mal niemand nach der Feuerwehr. Das hätte ohnehin nicht geholfen, die gab es nämlich noch nicht. Vermutlich konnte auch keiner die Kirchturmglocke läuten, weil es dort ja brannte. Stattdessen sollte es der Unterbacher Dachdecker Lutz richten.

Als man nach ihm rief, folgte die Hiobsbotschaft auf dem Fuße: Der gute Mann hatte sich einen Kirmesbesuch gegönnt. Und das nicht etwa direkt in der Nachbarschaft, sondern in Ratingen. Also wurde irgendwo ein Pferd gesattelt, mit dem sich ein Bote auf den Weg machen sollte. Offenbar traf man ihn guter Dinge und durchaus einsatzbereit auf dem Ratinger Kirmesplatz an. "Er war noch sicher auf den Beinen", zitiert Horst-Ulrich Osmann die Sonntagsbeilage der "Düsseldorfer Nachrichten".

Während es im Kirchturm vor sich hin qualmte, machte sich nun also Dachdecker Lutz auf den Weg von der Kirmes zum Kirchturm. Dort angekommen, herrschte rings um die Kirche schon ziemliches Gewusel. Nachbarn waren mit Eimern voller Wasser unterwegs, um selbiges zur Kirchturmspitze zu schleppen. "Es war von Vorteil, dass die Flammen nur langsam Nahrung fanden", glaubt Horst-Ulrich Osmann. Anders lässt es sich wohl auch nicht erklären, das dem Dachdecker noch Stunden nach dem Blitzeinschlag genug Zeit blieb, um an der Kirchturmspitze Hand anzulegen. Mit Wasser war dort offenbar nicht allzu viel auszurichten. Deshalb griff Lutz kurzerhand zum Werkzeug, um die Spitze abzusägen. Eine radikale Methode, die natürlich nicht folgenlos bleiben konnte.

Eine Kirche ohne Kirchturmspitze? Das gar nicht! Deshalb waren die Pläne für den Neuaufbau schnell zur Hand. Sorgen ums Geld musste man sich nicht machen. Die Kirche war versichert - und die "Vaterländische Feuerversicherung" zahlte. 500 Reichstaler wurden für die neue Turmspitze über den Tisch geschoben.

Und wie es damals eben so üblich war, sollten auch die freiwilligen Brandhelfer für ihre Löschdienste entlohnt werden. Einige waren nach dem Gottesdienst im "Sonntagsstaat" unterwegs und brauchten einen neuen Anzug. Manche hatte Verletzungen erlitten, anderen wiederum mussten Gerätschaften ersetzt werden. Mit ein paar Talern war das meiste davon abgegolten - beim Lohn für den fleißigen Dachdecker Lutz kam bei selbigem allerdings Unmut auf. "Er war die morsche Leiter hinaufgestiegen und hat lange gelöscht, bis der immer stärker werdende Bleiregen ihm viele Wunden verursachte", berichtet Heimatforscher Osmann aus den Annalen.

Dort nahm das Drama seinen Lauf bis hin zu der Entscheidung, kurzerhand die Turmspitze abzusägen. All das sollte mit 8 Reichstalern entlohnt werden - Lutz wiederum fühlte sich billig "abgespeist". Nachdem er einen Brief an die Gemeinde geschrieben hatte, legte man zwei zusätzliche Taler obendrauf.

Mit dem Wiederaufbau ging übrigens alles ziemlich schnell. Schon drei Wochen nach der Katastrophe wurde mit Baumeister Poßberg ein Fachmann mit den notwendigen Arbeiten betraut. Keinesfalls wollte man zukünftig auf einen Blitzableiter am Kirchturm verzichten, um nicht nochmals ein solches Unglück heraufzubeschwören. Drei Monate später stand die neue Kirchturmspitze und es gab letzte Debatten um kleinere Baumängel und Gewährleistungsfristen.

In einer Sache ist sich Heimatforscher Horst-Ulrich Osmann übrigens ganz sicher: Die später von den "Düsseldorfer Nachrichten" kolportierten Finanznöte, welche die Pfarrgemeinde dazu veranlasst haben sollen, die Turmspitze kleiner wiederaufzubauen, hat es nie gegeben.

(magu)
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