Erkrath Das ist nicht nur Arbeit, das ist mein Leben

Erkrath · Michele Gincel-Reinhardt leitet seit 1999 die Stadtbücherei - mit großer Leidenschaft. Die Leseförderung liegt ihr besonders am Herzen.

"Manch einer sagt mir nach, ich würde meinen Job mit nahezu missionarischem Eifer betreiben", sagt Michele Gincel-Reinhardt. Sie ist die Herrin über 66 000 Bücher, CDs und Filme - und um diese Kindern und Erwachsenen nahezubringen, ist der Bücherleiterin nahezu jedes Mittel Recht. Seit 1999 ist sie Chefin der Stadtbücherei in Erkrath mit ihren zwei Standorten in Hochdahl und Alt Erkrath. "Ich nehme die Leseförderung sehr sehr ernst, weil man lesen und schreiben können muss, um an der Gesellschaft teilhaben zu können", sagt sie. So ist ihre Arbeit für sie alles andere als ein gemütlicher Job zwischen vielen schönen Büchern. Er ist ein ständiges Organisieren von Lesungen, Themenabenden, Kinder- und Jugendbuchwochen, Sommerleseclub und Jugendkulturnacht. Ob es der Ressourcenverbrauch ist, der Islam, die Gefahren der Zukunftstechniken - den Themen, die in der Stadtbücherei behandelt werden, sind keine Grenzen gesetzt. Mit Leidenschaft lektoriert sie für die Bibliothek Kinderbücher, die neu auf dem Markt sind, hält permanent Ausschau nach Fördermitteln für Projekte. "Es reicht nicht, einen ordentlichen Medienbestand vorzuhalten", sagt Gincel-Reinhardt, "ich muss die Leute auch in die Bibliothek locken." Dass schafft sie mit unzähligen Ideen und Aktionen.

Das "Locken" beginnt quasi schon bei den Allerkleinsten, die mit sieben Monaten noch weit davon entfernt sind, die ersten Buchstaben zu kennen, die aber mit ihren Eltern schon ins Bücherei-Gefüge eingebunden werden sollen. Es folgen die nächsten Schritte in der Kita, der Grundschule, dem Übergang in die weiterführende Schule und und und. Für alle gibt es ein Angebot aus der Stadtbücherei. "Ich will für die Kinder etwas erreichen", sagt Gincel-Reinhardt mit Nachdruck.

Und da ist es mit einem Acht-Stunden-Tag oft nicht getan. Was aber für die 62-Jährige kein Problem ist. "Das ist hier nicht nur Arbeit. Das ist mein Leben", sagt sie. Mit neun Mitarbeitern und einem "hervorragenden Ehrenamtler-Team" hat sie die Stadtbücherei zu einer sich ständig wandelnden Einrichtung gemacht, die immer auf dem Höhepunkt der Zeit ist. Ein flotter Facebookauftrit mit Blog gehören dazu. "Das lasse ich aber jüngere Mitarbeiter machen", sagt sie. "Denn mein Schreibtisch quillt schon über von Material, das bearbeitet werden muss."

Michele Gincel-Reinhardt ist eine gestandene Frau mit einer sehr jungen Lebenseinstellung. "Daran ist vielleicht auch mein Sohn schuld", sagt sie, "er ist heute 18 Jahre alt und wohnt als unser Nachkömmling noch zu Hause. Das hält einfach jung."

Über Rente mag sie noch nicht nachdenken, aber Vorstellungen für die Ruhezeit hat sie schon ein paar. Es passt ins Bild, dass sie nicht einen gemütlichen Senioren-Lebensabend im Fokus hat, sondern am liebsten "mit dem VW-Bus die Welt erkunden" will - bodenständig, unkompliziert, aber auch abenteuerlich. "Sonst weiß ich nur, dass ich irgendetwas tun muss." Acht Jahre hat sie insgesamt für drei Kinder im Job ausgesetzt. "Das hat wirklich gereicht", sagt sie, "aber auch da habe ich mich im Kinderschutzbund engagiert."

Zur Bibliothekarin ist sie denn auch erst im zweiten Anlauf geworden. "Ich habe eine Erzieherinnen-Ausbildung gemacht und dann mit 36 Jahren begonnen, Bibliothekswesen zu studieren". Der Arbeit in einer großen Schulbücherei in Brauweiler folgte ein Projekt für Bertelsmann in Ratingen und schließlich die Stelle in Erkrath.

Bei allem begeisterten Projektmanagement gibt es bei Michele Gincel-Reinhardt aber auch ein Privatleben. "Ich rudere beim RC Germania in Düsseldorf", sagt sie. "Meine Jugend habe ich quasi im Bootshaus in Koblenz verbracht." Die Liebe zum Rudern ist geblieben, zwar keinen Rheinmarathon mehr, aber immer noch geht es im gemischten Vierer von Leverkusen nach Düsseldorf. Dafür trainiert sie derzeit wieder. Und dann verrät sie auch noch ihre Vorliebe fürs Heimwerken. "Obwohl ich das eigentlich gar nicht kann, aber ich mache es", erzählt sie, "zum Beispiel habe ich die Türen in unserem Haus gestrichen und den Haussockel. Gut, mein Sohn hat mir ein bisschen geholfen" gesteht sie. Und es ist auch der Garten am Häuschen in Erkrath, dessen Arbeit ihr immer wieder Freude macht. Idealer geht es fast nicht mehr.

(RP)
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