Debatte über Hamsterkäufe Einmannpakete gegen die Krise

Erkrath · Benjamin Bleich verkauft in seinem Laden in Erkrath Wasserfilter, Dosenbrot und Kohlenhydratkombinat. Seit das neue Zivilschutzkonzept im Gespräch ist, kann er sich vor Bestellungen kaum retten. In seinen Lagern liegt alles, was man für die Katastrophe braucht. Von Nottoiletten bis hin zu wiederbenutzbaren Tampons.

Das Lager von Benjamin Bleich ist ein Seismograf für die Ängste der Deutschen. Nach dem Atomunfall in Fukushima verkaufte er Geigerzähler, im Januar Pfefferspray für 26 Euro das Stück, und nun sind es Dosenbrot und Trinkwasserfilter. Denn seit die Bundesregierung bekannt gegeben hat, dass sie ihr altes Zivilschutzkonzept aus dem Kalten Krieg überarbeitet hat, reißen ihm die Menschen haltbare Lebensmittel buchstäblich aus den Händen. "Die Leute kaufen Dosenbrot und Trinkwasserfilter", sagt Bleich. In seinem Büro in Erkrath stapeln sich die Alukisten in Kartons an der Wand. In ihnen kann man die Lebensmittel dunkel und luftdicht lagern.

Bleich kommt kaum noch mit den Bestellungen hinterher, sagt er. Er musste seine Lagerbestände wieder auffüllen. "Dafür kaufen sich andere Leute Häuser", sagt er. Seit elf Jahren rüstet er seine Kunden für Krisensituationen aus. Anfangs hatte er ein Ladenlokal in Neukirchen-Vlyn. Nach drei Einbrüchen hatte er genug. "Ich verkaufe Multifuel-Generatoren (je 2000 Euro), die sowohl mit Diesel als auch mit Speiseöl laufen, ich habe Armbrüste und andere Waffen. Das zieht Einbrecher an." An Einzelkunden verkauft er jetzt nur noch über das Internet — auch Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz gehören zu seinen Kunden. "Eine Expedition zum Nordpol habe ich auch schon ausgestattet", erzählt Bleich.

Diese Hilfsmittel für den Notfall gibt es
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Foto: Christoph Reichwein

Der 45-Jährige ist — wie er selbst sagt — ein Naturbursche. Mit vier Jahren lernte er angeln. Als er alt genug war, machte er einen Jagdschein. Bleich hat in Kursen anderen Leuten beigebracht, wie sie in der freien Natur überleben. Aus der Trekking-Szene kam er auf die Katastrophenvorbereitung. "Unsere Supermärkte haben nur noch kleine Lager, sie sind darauf ausgelegt, permanent neue Ware zu bekommen", sagt Bleich. "Da muss es nur mal einen heißen Sommer geben, in dem der Asphalt Blasen wirft und die Lkw nicht fahren können, oder einen besonders eisigen Winter oder einen Stromausfall. Dann fließt nämlich auch kein Diesel mehr aus den Zapfsäulen an den Tankstellen." Es muss also nicht die ganz große Naturkatastrophe oder eine kriegerische Attacke sein, die eine Notversorgung nötig machen.

Ein Katastrophenvorrat erfüllt für Bleich dieselbe Funktion wie das Anschnallen beim Autofahren. "Ich bin keiner, der den Weltuntergang herbeiredet, aber wir schließen Versicherungen ab und schnallen uns beim Autofahren an, weil wir wissen, dass etwas passieren könnte und wir vorbereitet sein wollen."

Seine Waren bezieht er teilweise direkt von den Herstellern, die die Bundeswehr oder Hilfsorganisationen beliefern. Manchmal kauft er aber auch Restbestände des Militärs auf. Wenn es etwa eine Nato-Übung gibt, werden Essensrationen palettenweise eingelagert. Was übrig bleibt, werde häufig verkauft. Dann ist Bleich zur Stelle. Er verkauft amerikanische Rationen mit Spaghetti in Fleischsauce, deutsche Einmannpakete mit Ravioli und Panzerplatten. Am besten haben es die Franzosen, sie sind auch bei der Fertignahrung die Gourmets: "Bei denen gibt es richtige Pasteten in den Tagesrationen."

Bleich hat noch kartonweise Kohlenhydratkombinat, Herstellung 1992. Die Riegel enthalten konzentrierte Nährstoffe. Ein Paket mit vier Riegeln enthält 4400 Kilokalorien, ein Mensch braucht etwa 2200 Kilokalorien am Tag. 25 Jahre sind die Riegel haltbar, sie sind vakuumiert, verschweißt und zusätzlich in Plastikfolie gepackt. In einem Karton sind 55.000 Kilokalorien. Der kostet 150 Euro. Ein Karton mit zwölf Dosen Roggenvollkornbrot kostet hingegen 39 Euro. "Für Vorrat und Urlaub" steht außen auf der Pappe.

Er hat aber nicht nur Lebensmittel, sondern auch Nottoiletten, Kurbelradios, Funktionskleidung, Werkzeuge und Stromgeneratoren im Angebot. Nach Aachen, wo die Menschen derzeit Angst vor einem Störfall im Atomkraftwerk Tihange haben, verkauft er Schutzanzüge und Atemmasken. Für Frauen hat er etwas besonders Praktisches: Der Notfall-Ausrüster macht sich manchmal einen Spaß daraus, wiederbenutzbare Tampons als Gastgeschenk zu Parties mitzubringen. Die kann man ausspülen und wieder einsetzen.

In alle seine Lieferungen packt er stets ein orangenes Heftchen mit Empfehlungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe — und eine "Survival-Bibel". Was von außen aussieht wie ein Handbuch zum Überleben, ist in Wirklichkeit eine Ausgabe des Neuen Testaments. Darin abgedruckt sind auch Gebete für Notsituationen: Geiselhaft, Schneesturm und Unwetter. "Wenn die Leute irgendwo im Keller sitzen und auf Hilfe warten, haben sie genügend Zeit und können die Bibel lesen. Darin kommen auch viele Katastrophen vor, Flut oder Hungersnöte."

(heif)
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