Erkrath Kindheit zwischen "Mama" und "Mutti"

Erkrath · TV-Schauspielerin und Autorin Janine Kunze schilderte in Hochdahl ihre Jugend als Pflegekind. Ein bewegender Abend.

 Wenige Tage alt, kam Janine Kunze in eine Pflegefamilie, von der sie sich mit 18 Jahren adoptieren ließ. Die Schauspielerin und Autorin hat ein Buch darüber geschrieben.

Wenige Tage alt, kam Janine Kunze in eine Pflegefamilie, von der sie sich mit 18 Jahren adoptieren ließ. Die Schauspielerin und Autorin hat ein Buch darüber geschrieben.

Foto: Köhlen

"Geschenkte Wurzeln" heißt das Buch von Janine Kunze und ist der Grund, warum die Damen Yvonne Kardell (Jugendamt Erkrath) und Christina Döpp (Jugendamt Mettmann) die Autorin ins Hochdahler Bürgerhaus eingeladen haben. In dem Buch schildert Janine Kunze ihre eigene Jugend als Pflegekind. Beteiligt an der Organisation dieses sehr besonderen Abends waren auch die Jugendämter in Heiligenhaus, Hilden, Langenfeld, Wülfrath und Velbert. Der Einladung waren viele Menschen gefolgt; Jugendamt-Mitarbeiter, Pflegeeltern, Pflegekinder, Betroffene. Quasi als Hausherr des Abends begrüßte auch der Erkrather Sozialdezernent Ulrich Schwab-Bachmann die in großer Zahl erschienenen Besucher. Er freue sich über den "großen Zuspruch", der wohl dem besonderen Thema geschuldet sei. Dass Janine Kunze gleichzeitig gefragte Schauspielerin, Moderatorin und Geschäftsfrau ist, stand bei der Einladung nicht im Vordergrund. "Geschenkte Wurzeln" ist ein anrührendes Buch über Janine Kunzes Kindheit, ihre Konflikte mit der geliebten Pflege-Familie, der Zerrissenheit der Gefühle im Umgang mit der leiblichen Mutter sowie ihrer Persönlichkeitsentwicklung im Teenager-Alter. Das Buch wurde 2013 veröffentlicht. Mit neun Tagen wurde das Baby Janine in die liebevollen Hände einer Pflegefamilie gegeben, weil die leibliche Mutter nach eigenen Angaben mit der Erziehung überfordert war.

Die Familie, sie nannte ihre Eltern Mama und Papa, gab ihr Halt, Verlässlichkeit und Liebe. Ihre leibliche Mutter, sie musste sie Mutti nennen, war ihr wesensfremd, obwohl diese den Kontakt in der Kindheit pflegte. Mit 14 Jahren beantragte Janine Kunze die Adoption durch ihre Pflegefamilie. Die wurde wegen des Einspruchs der Mutter abgelehnt. Mit 18 Jahren wurde diese dann endgültig durchgesetzt. "Mir war mein Name wichtig. Ich habe dafür gekämpft", sagt Janine Kunze und erklärt damit, warum sie nicht den Namen ihres Ehemannes angenommen hat. Drei Kinder hat Janine Kunze. Sie sei ein echtes Muttertier, hatte Tochter Lili einmal gesagt.

Bei der Lesung in Hochdahl gestand sie, warum sie in ihrer eigenen Familie kein Pflegekind angenommen hat, obwohl sie von dieser Lebenssituation geprägt war. Sie habe Angst gehabt, ihrer eigenen Familie nicht ausreichend gerecht werden zu können. Die Rührung über das Geständniss war der Autorin anzumerken. Gedankt wurde es von den Bürgerhaus-Besuchern mit verständnisvollem Schweigen und dann mit Applaus.

Aber auch herzlich gelacht wurde bei der Autoren-Lesung und zwar dann, wenn Janine Kunze zum Beispiel vom Sterne-Basteln erzählte oder von der Teddyjacke, die sie unbedingt haben wollte und von ihrer Mama nicht kriegte. Ihre Mutti kaufte sie ihr dann. Und dann war da noch die Geschichte von den Jugendamt-Damen, die regelmäßig zu Besuch kamen. Und zwar immer dann, wenn schönes Wetter war. Das Zimmer musste aufgeräumt sein, der Kuchen gebacken. Janine hasste diese Besuche. Die Damen Yvonne Kardell und Christina Döpp quittierten diese Buch-Passagen mit herzlichem Lachen. "Da sieht man mal, was sich in den 30 Jahren, seit Janine Kunze diese Erfahrungen machte, bei der Jugendamt-Arbeit verändert hat", sagte Yvonne Kardell. Und Pfarrer Gerhard Herbrecht aus Erkrath, ein Pflegevater, sagte dazu: "Wir freuen uns immer, wenn Frau Kardell kommt."

Geschenkte Wurzeln. Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin, erschienen 2013 im Piper-Verlag, 9,99 Euro, ISBN 978-3-492-30631-7

(gund)
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