Issum 17 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit

Issum · Johannes Fronhoffs von der Flüchtlingshilfe Sevelen will der negativen Stimmungsmache etwas entgegensetzen. Er lässt vier Flüchtlinge ihre Geschichte erzählen. Kritik gibt es an den hohen Benutzungsgebühren für die Unterkunft.

 Auf zur Arbeit ins 17 Kilometer entfernte Tönisberg (von links): Rajon Ahmed, Habib Mohammod, Mohendro Biswas und Shagor Biswas.

Auf zur Arbeit ins 17 Kilometer entfernte Tönisberg (von links): Rajon Ahmed, Habib Mohammod, Mohendro Biswas und Shagor Biswas.

Foto: Fronhoffs

Es ist Viertel vor drei am Morgen. Weil es auch noch im Mai um diese Uhrzeit ziemlich kalt ist, haben die vier Männer Mützen auf und Handschuhe an. Dann setzen sie sich auf ihre Fahrräder und radeln durch das Ende der Nacht zur Arbeit. "Eine Stunde", sagt Rajon Ahmed, dauert der Weg zur Arbeit. Eine Stunde dauert auch der Weg zurück, dann ist es aber hell, wenn die vier Männer aus Bangladesh zu ihrer Unterkunft nach Sevelen zum Koetherdyck fahren, dort, wo die Flüchtlinge wohnen.

Seit dem 4. Oktober 2016 arbeiten die vier bei Deli Carte in Tönisberg. 50.000 Essen pro Tag werden dort produziert, sagt Mohendro Biswas stolz. Er ist einer der vier aus Bangladesh. "Der Arbeitgeber ist begeistert von den Leuten", sagt Johannes Fronhoffs. "Keinen einzigen Tag haben die Jungs gefehlt." Fronhoffs gehört zur Flüchtlingshilfe Sevelen. Und er habe die negativen Berichte über Flüchtlinge satt, sagt der Sevelener. Deswegen erzählt er von den vier Männern aus Bangladesch. Dort sei zwar kein Krieg, erzählen die Männer, aber jeder hat seine persönliche Geschichte, warum er sein Land verließ.

Biswas erzählt von seiner Odyssee, den vier Jahren in Dubai, dann Türkei, Iran, Indien, Pakistan. In Deutschland möchte er bleiben. Denn Deutschland bedeute Sicherheit. In anderen Ländern habe er auch gearbeitet, viel gearbeitet und oft weniger Stunden als tatsächlich geleistet bezahlt bekommen. In Deutschland sei das anders. "Angelina ist gut", sagt Fronhoffs und meint damit unsere Bundeskanzlerin. Biwas lächelt. Beim Sommerfest der Flüchtlingshilfe habe er gesehen, dass die vier Männer arbeiten können und die Arbeit auch sehen, sagt Fronhoffs.

Rolf Saers ist der Arbeitgeber der vier bei Deli Carte. "Wir brauchen die Flüchtlinge", entgegnet er Kritik, dass Flüchtlinge den Deutschen zum Beispiel die Arbeitsplätze wegnehmen würden. Die Flüchtlinge, die kämen gerne, haben Freude an dem, was sie machen. "Man kann aus den Leuten richtige Fachkräfte machen." Er sei daran interessiert, dass die Flüchtlinge sich integrieren.

Die Integration hat allerdings auch ihren Preis. 230 Euro pro Person, genauer gesagt. So viel müssen die vier Flüchtlinge jeweils als Benutzungsgebühr für ihre Hütte am Koetherdyck, in der sie zu viert wohnen, zahlen, weil sie Einkommen beziehen. Benutzungsgebühren, das sind 920 Euro für die etwa 50 Quadratmeter Holzhütte auf dem Parkplatz. "Man hört jeden Tropfen, wenn es regnet, wie im Zelt", beschreibt Fronhoffs die Atmosphäre in der Hütte.

In einem Schreiben an den Bürgermeister fragt er, warum die Benutzungsgebühr in der Gemeinde so hoch sei. Die Stadt Kamp-Lintfort etwa verlange nur die Hälfte, 102,50 Euro pro Person.

"Das Thema ist mit Herrn Fronhoffs und der Politik mehr als ausreichend diskutiert worden", sagt Bürgermeister Clemens Brüx dazu. In Abwägung aller Umstände bleibe die Gemeinde bei dieser Entscheidung. "Die Flüchtlingshilfe hat auch mit allen Fraktionsvorsitzenden gesprochen. Die fanden das bedauerlich, mehr ist aber nicht passiert", sagt Fronhoffs. "Ich kann verstehen, dass die Flüchtlinge eine Benutzungsgebühr bezahlen müssen. Ich persönlich finde es aber zuviel." In seinem Brief an den Bürgermeister hat er vorgerechnet, was die Gemeinde alles spart, weil die Flüchtlinge arbeiten gehen. Wenn die Flüchtlinge ihre Arbeitsstelle aufgeben, würde für die Gemeinde für die vier Flüchtlinge 2326,68 Euro für Unterhalt und fehlende Benutzungsgebühr anfallen.

Ändern können die vier Männer an der Situation nichts, eine Alternative gibt es für die vier eher nicht. "Umziehen in die Nähe des Arbeitsplatzes dürfen sie nicht. Sie sind verpflichtet, hier wohnen zu bleiben", erklärt Fonhoffs. Und ein Umzug in eine reguläre Wohnung in Issum? "Mal ehrlich, vier Flüchtlinge, alles Junggesellen", sagt der Sevelener. Da werde es schwer, beinahe unmöglich, etwas zu finden.

"Er wolle was dagegensetzen", sagt er, warum er die Geschichte der Flüchtlinge erzählt, etwas gegen die negative Stimmungsmache setzen. Was Positives, und das sieht er im Arbeitsengagement der jungen Männer, die weder hohe Benutzungsgebühren, frühes Aufstehen noch niedrige Temperaturen am Morgen scheuen.

(RP)
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