Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (4) Ära der Unternehmerfamilie Kleinbielen

Geldern · Mit Hubert Kleinbielen und seinem Bruder Aloys fing alles an. Der eine hatte einen Fahrradladen, der andere ein Ausstattungsgeschäft auf der Hartstraße. Die Kinder traten in die Fußstapfen.

 Aus der Familie Kleinbielen (links) gingen viele Unternehmer hervor, deren Geschäfte Gelderns Innenstadt prägten.

Aus der Familie Kleinbielen (links) gingen viele Unternehmer hervor, deren Geschäfte Gelderns Innenstadt prägten.

Foto: Kleinbielen

Geldern Wer das Geschäft betrat, dem schlug erst einmal der Geruch von Reifengummi entgegen. Kein Wunder, von der Decke hingen Fahrräder, rechts und links standen sie dicht an dicht.

 Eines davon war das Fahrradgeschäft Kleinbielen am Markt

Eines davon war das Fahrradgeschäft Kleinbielen am Markt

Foto: Kleinbielen

Chef Hermann Kleinbielen bot seinen Kunden einen besonderen Service. "Sonntags wurden die Türen zum Hof aufgemacht und die Kirchgänger konnten ihre Fahrräder im Hof parken und Opa hat kostenlos darauf aufgepasst", erinnert sich Hubertus Kleinbielen. "Das wäre eine Katastrophe gewesen, wenn das gestohlen worden wäre", erzählt der Enkel des Unternehmers weiter. Immerhin war das Fahrrad damals das einzige Verkehrsmittel. Allerdings hat mancher Fahrradbesitzer ein bisschen auf sich warten lassen und es wurde auch gut und gerne vier Uhr nachmittags. Die zahlreichen Kneipen am Gelderner Markt verleiteten zum ausgiebigen Frühschoppen. Dass Hermann Kleinbielen auch auf den Letzten wartete - Ehrensache. Auch wenn seine Frau ihrerseits mit dem Sonntagsessen auf ihn wartete. 1935 eröffnete er das Fahrradgeschäft "Kleinbielen am Markt".

 So sah es im Geschäft aus.

So sah es im Geschäft aus.

Foto: Kleinbielen

Hermann führte das weiter, was er von zu Hause gelernt hatte. Bereits sein Vater Hubert hatte ein Fahrradgeschäft, allerdings auf der Hartstraße. Unweit davon machte sich auch dessen Bruder Aloys als Kaufmann selbstständig mit einem Ausstattungsgeschäft. Später wurde daraus das Sporthaus Kleinbielen. Hubertus Kleinbielen erinnert sich noch gut an seine Besuche im Sportgeschäft, das nach Aloys Sohn Jakob und danach dessen Sohn Hans übernahm. In dem kleinen Geschäft wimmelte es nicht nur vor Skiern, Tennisschlägern und Sportbekleidung, zwischendrin standen auch Musikinstrumente. Im Geschäft seines musikbegeisterten Onkels erwarb Hubertus Kleinbielen seine erste Trompete. Die einzige, die es in dem Geschäft gab.

Auf der Hartstraße wurde das Fahrradgeschäft von Leo Kleinbielen weitergeführt. Konkurrenz zum Geschäft am Markt gab es. "Aber gute Konkurrenz", sagt Hubertus Kleinbielen. Man tauschte sich aus, wenn einer was nicht hatte. "Pure Harmonie", nennt es Hella Kleinbielen, die mit im Geschäft ihres Ehemannes Werner am Markt arbeitete.

Das Geschäft auf der Hartstraße war zweigeteilt. Leo führte das Fahrradgeschäft im "Stammhaus" der Kleinbielens weiter, seine Schwester Mia hatte Nähmaschinen, Waffen und Schreibmaschinen und stand auch noch mit 85 Jahren hinter dem Tresen.

Auch die anderen Kinder von "Stammvater" Hubert Kleinbielen wurden Unternehmer. Jakob "Köbes" Kleinbielen hatte Mercedes Kleinbielen gegenüber der Gaststätte Niersbrücke in Geldern (heute ist an der Stelle ein Matratzengeschäft). Außerdem zählte er zu den Gelderner Urgesteinen und ältestem Bewohner Gelderns, als er 2009 im Alter von 106 Jahren verstarb. Es gab außerdem noch BMW Kleinbielen gegenüber dem Gelderner Amtsgericht und Opel Kleinbielen in Kevelaer.

Wer nicht gerade Unternehmer wurde, der wanderte nach Argentinien aus. 13 Kinder hatte Hubert Kleinbielen. Das Kaufmännische übernahm seine Frau. Hubert, der war ein Tüftler.

Der Urvater hatte einige Patente, zum Beispiel ein zusammenklappbares Schutzblech und die federnde Sattelstütze. "Das war die Erfindung", sagt die 90-jährige Hella Kleinbielen stolz. Immerhin rollten die Fahrradfahrer früher nicht über asphaltierte Radwege, sondern über Feldwege und Kopfsteinpflaster. Da war eine Federung eine feine Sache. Im Jahr 2000 haben sie und ihr Mann Werner das Geschäft abgegeben. Und das war gut so.

"Wir hatten die schönste Zeit. Die Leute kamen und wollten sich beraten lassen." Am Ende war es bereits so, dass einige Kunden eine Probetour fuhren und dann im Internet recherchierten und dort kauften - statt im Fachgeschäft.

"Aber früher, da kaufte man sein Fahrrad in Geldern bei Kleinbielen", schließt ihr Sohn Hubertus die Geschichte.

(RP)
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