Dr. Arne Kleinstäuber Ärzte-Zentrum "zum Wohle der Stadt"

Geldern · Der Gelderner Allgemeinmediziner Dr. Arne Kleinstäuber will ein Hausärztezentrum im ehemaligen Finanzamt gründen. Kritiker fürchten die Zentralisierung der Ärzte in der City, das Verwaisen der Ortschaften. Kleinstäuber verteidigt sein Projekt.

 Allgemeinmediziner Dr. Arne Kleinstäuber aus Geldern.

Allgemeinmediziner Dr. Arne Kleinstäuber aus Geldern.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Seit Ihre Pläne durch die RP bekannt wurden, gibt es darum eine Kontroverse. Wovor haben die Leute Angst?

Arne Kleinstäuber Die meisten Leute, die mich ansprechen, sehen eher die Vorteile. Bei Ängsten geht es nur um die etwas andere Struktur.

Dr. Arne Kleinstäuber: Ärzte-Zentrum "zum Wohle der Stadt"
Foto: Seybert

Eine Zentralisierung von Hausärzten findet doch aber statt. In Ihrem Zentrum würden sich drei Gelderner Einzelpraxen an einem Fleck zusammenziehen. Daraus ergeben sich für Patienten weitere Wege.

Kleinstäuber Ich bin der einzige Arzt, der in den letzten 30 Jahren noch nicht den Standort gewechselt hat. Alle anderen haben das, ohne dass es zu einer Unterversorgung gekommen ist. Und früher lagen die Praxen an Westwall und Südwall. Jetzt liegen sie auf der anderen Seite der Stadt in der Ecke von Nordwall und Issumer Tor, gerade mal 100 Meter auseinander. Das ist auch eine Zentralisierung - und das macht überhaupt nichts. Wir haben den Stadtbus. Und ich habe übrigens auch Patienten aus Veert oder dem Barbaragebiet.

Welche Vorteile versprechen Sie Ihren Patienten durch ein Zentrum?

Kleinstäuber Bessere Erreichbarkeit: Der Standort ist ideal. Und bessere zeitliche Verfügbarkeit. Durch eine Besetzung von morgens bis abends ist immer jemand da. Die Praxis könnte morgens um sieben mit dem ersten Arzt besetzt sein und bis abends um sieben mit dem letzten - vielleicht sogar bis neun. Zahnärzte machen das schon. Wir Hausärzte hängen hinterher, weil wir gewöhnt sind, dass alles wie zu Kaisers Zeiten läuft. Das ist aber nicht mehr wirtschaftlich.

Mancher Patient hat Angst um die Bindung zum Hausarzt, wenn er mal von diesem, mal von jenem Kollegen und mal vom angestellten Assistenzarzt betreut wird.

Kleinstäuber Na ja, wenn ich einen Termin ausmachen will, frage ich, wann "mein" Hausarzt da ist. Wenn ich aber akute Beschwerden habe, ist auf jeden Fall jemand in der Praxis, zu dem ich gehen kann. Und der angestellte Assistenzarzt ist der potenzielle Nachfolger für die Praxis, der ist vielleicht mal der Chef. Der hat seine Facharztausbildung auch schon gemacht. Das ist übrigens anders als in einer Klinik, wo ein Assistenzarzt vielleicht gerade von der Uni kommt. Sinn der Sache ist es, Nachfolger für die Praxen zu finden. Es hat keinen Sinn, eine Arzt-Patienten-Bindung zu propagieren, und dann geht der Arzt dem Patienten leider verloren, weil er in Rente geht.

Befürchtet wird der Abzug der Ärzte aus den Ortschaften. So ein Zentrum hätte viele Vorteile für die Ärzte, was also sollte einen jungen Kollegen noch nach außerhalb locken?

Kleinstäuber Wir haben irgendwann keine Ärzte für die Ortschaften mehr. Es gibt einfach zu wenige, woher wollen wir die Leute nehmen? Geldern steht dann nicht in Konkurrenz mit Walbeck oder Kapellen, sondern mit dem Speckgürtel von Düsseldorf oder Bonn.

Na, das heißt: Für Geldern lassen sich vielleicht mit einem attraktiven Angebot noch Ärzte gewinnen, aber für die Ortschaften auf keinen Fall?

Kleinstäuber Ja, so wie die Lage jetzt ist, ist das so. Aber meine Idee geht ja weiter: hin zur ortsübergreifenden Gemeinschaftspraxis. Wirtschaftlich profitieren Praxen von einer Zusammenlegung. Und ich kann als Hausarzt eine Hauptpraxis in Geldern und Satellitenpraxen außerhalb haben. So könnten Praxen in Ortschaften weiter existieren. Sie wären für den Arzt attraktiv, weil er mehr verdient, weil die Arbeitszeiten gut sind, weil die Praxis auch in Urlaubszeiten besetzt ist, und so weiter. Aber wenn wir nichts tun - dann kriegen wir da keinen rein.

Es gibt Kritik an einer angeblichen Zurückhaltung junger Ärztinnen: Die Frauen wollten Teilzeitstellen, sie wollten keine Verantwortung für eine eigene Praxis übernehmen. Gibt es ein spezifisch weibliches Problem?

Kleinstäuber 60 bis 80 Prozent der Medizinstudenten sind weiblich, je nach Uni. Und die Zukunftsplanung der wenigsten sieht vor, 50 bis 70 Stunden pro Woche zu arbeiten. Das ist generell so, bei Männern und Frauen. Auch Männer wollen 30 oder 40 Stunden arbeiten und Zeit für die Familie haben, das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Sie wollen für eine Praxis nicht zehn Jahre lang auf alles verzichten.

Es gibt doch die klassische Wirtschaftsförderung - finanzielle Starthilfen oder Unterstützung bei der Standortsuche. Warum sollte das bei der Suche nach Landärzten nicht funktionieren?

KleinstäuBer Das System, in dem die Ärzte später arbeiten, muss funktionieren. Es hilft nichts, jemandem einen goldenen Blumenstrauß zu überreichen, und dann lässt man ihn vor die Wand fahren.

Der Kreis Kleve lockt junge Ärzte mit 2000 Euro pro Woche für eine Hospitation in Landarztpraxen. Von dieser Initiative halten Sie jedoch nichts - warum?

Kleinstäuber Das ist der goldene Blumenstrauß, ein Willkommensgeschenk. Nein, die Lokalpolitik kann die Fehler im System nicht lösen. Natürlich wollen wir alle die Dinge bewahren, die uns lieb und teuer sind. Aber wir müssen uns mit der Zeit ändern. Ich würde nichts tun, wovon ich nicht überzeugt wäre, dass es zum Wohle der Stadt ist. Meine Familie hat hier seit 95 Jahren eine Praxis. Ich will auch in zehn Jahren noch über die Straße gehen können, ohne dass die Leute sagen: "Das ist der, der die Hausärzte abgeschafft hat."

SINA ZEHRFELD STELLTE DIE INTERVIEWFRAGEN..

(RP)
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