Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (8) Anfang und Ende der Veerter "Burg"

Geldern · Das dreigeschossige Gebäude von 1873 auf der Schulstraße war ein echter Hingucker. Die Familie van der Vight betrieb darin eine Gastwirtschaft. Um das Geschehen ranken sich Geschichten. 1966 erfolgte der Abriss.

 Das Gebäude rechts im Bild ist "die Burg". Das schmucke Wohnhaus hieß aufgrund seiner Größe so im Volksmund.

Das Gebäude rechts im Bild ist "die Burg". Das schmucke Wohnhaus hieß aufgrund seiner Größe so im Volksmund.

Foto: Postkarte aus dem Jahr 1906, Archiv Heimat- und Verschönerungsverein Veert

Veert Das Gebäude ragte weit in die Höhe. Außerdem wirkte es in seinem Bau sehr kompakt. "Die Burg" nannten die Veerter das Haus gegenüber der Kirche. Karl-Heinz Pastoors vom Veerter Heimat- und Verschönerungsverein schaut sich die alten Fotos an. "Sehen Sie das Gebäude, wie schön das ist?" Heute ist von der ehemaligen "Burg" nichts mehr zu sehen. An gleicher Stelle sind auf der Schulstraße gegenüber der Kirche ein Frisör und ein Döner-Imbiss.

Die Geschichte der "Burg" begann übrigens auch mit einem Abriss. 1870 wurde Wilhelm Aenstoots durch den Kauf des Grundstücks Eigentümer der ehemaligen Gaststätte Kürvers. Nach deren Abriss erfolgte 1873 der Neubau durch Sohn Jakob Aenstoots. Die Familie Aenstoots war wohlhabend und besaß einige Gebäude in Veert. Aber die dreigeschossige "Burg", die überragte die sonst eingeschossigen Häuser und fiel dadurch direkt ins Auge. In dem entstandenen Mehrfamilienhaus wohnte auch die Familie van der Vight. Sie eröffneten einen Kleinhandel und eine kleine Gaststätte. Nachzulesen ist das in der Sammlung von Rudi Geese, der in seinem Buch "Das Kerndorf Veert im Jahr 1810" die bauliche und wirtschaftliche Entwicklung beschreibt. Mit seinem Bestreben, eine Gastwirtschaft zu betreiben, war Gerhard van de Vight nicht alleine. Vielleicht war er auch deswegen nicht nur Gastwirt, sondern auch Strumpfweber. So steht es zumindest in seiner Heiratsurkunde.

 So sah es aus, als die dreigeschossige "Burg" Ende August 1966 abgebrochen wurde.

So sah es aus, als die dreigeschossige "Burg" Ende August 1966 abgebrochen wurde.

Foto: Heinrich Valentin (Archiv Veert)

Im Jahr 1897 gab es bei insgesamt 926 Einwohnern in Veert elf Gast- und Schenkwirtschaften. Unmittelbare Konkurrenz bekam er 1908, als links neben ihm Wilhelm Rademacher und später dessen Neffe Peter eine Restauration und ein Kleinhandelsgeschäft betrieben. Dennoch, das Tun der van der Vights, vor allem der Mutter Johanna, blieb nicht unbemerkt. Ihr wurde sogar ein Gedicht auf Veerter Platt durch Hermann Pottbecker gewidmet. Ihr Fleiß und ihr fröhliches Wesen werden darin gelobt. In der Übersetzung lautet es: "Was singt und klingt es in der Burg so munter? Manchmal hört man es hinten, manchmal hört man es vorn. Treppauf und treppab geht hinauf und hinunter, und schon wieder draußen dort vorn an der Tür."

Natürlich wurde in der Gaststube auch die Geselligkeit gepflegt. Der ehemalige Veerter, später in Bremen lebende und bereits verstorbene Johann Evers hat ein paar Geschichten schriftlich festgehalten. Sie geben einen Eindruck davon, wie das damals war. Eine mit dem Titel "Hannes" geht folgendermaßen: "Er war Maurer und marschierte täglich mit einem Henkelmann in der Hand, Ketzpott oder auch Zweizylinder genannt, zur Arbeit. Abends kehrte er über Veert zurück und die erste Station war die Wirtschaft "De Burg". Dort wurde dann mit den Kollegen "geprüüvt" (Schnaps probiert) und Karten gespielt, wobei wie beim Skat angesagt wurde. Hannes schlief dabei meist ein, und wenn der Nebenmann ihn anstieß und sagte: "Hannes wat düs du", kam stets die Antwort: "Eck frog." Wenn er sich auf den Heimweg machte, ging er einen Richtweg, das heißt quer durch die Wiesen, und kam dann an die Dondert. Eine Brücke war ja an der Stelle nicht vorhanden, so dass er mit einem Anlauf hinüberspringen musste. Er warf den Henkelmann hinüber mit den Worten: Henkelmann, du musst voran." Er nahm einen Anlauf und meinte: "Lief Herrgöttje help, datt eck gut dröwer komm." Als er dann auf der anderen Seite der Böschung landete, meinte er: "Eck wor ewer ohne dech ok dröwer gekomme." Als aber die sandige Böschung nachgab und er bis zu den Knien ins Wasser rutschte, meinte er: "Dat hat eck nitt gedocht, das du genne Spass verdrage kass."

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die "Burg" Zufluchtsstätte für Menschen, die geflohen waren. Der Wohnraum war damals knapp. Platz bot die "Burg". Einer, der lange dort lebte und vielen älteren Veertern noch bekannt sein dürfte, ist Theo Janssen, besser bekannt als Thei Körner. Karl-Heinz Pastoors zeigt auf ein Foto. "Oben rechts hat er gewohnt." Der Zigarrenmacher hat nach dem Weltkrieg mit seiner Frau die Schulspeisung übernommen. Als sich die Wohnlage wieder besserte, stand die "Burg" auf der Schulstraße lange leer. Im August 1966 wurde das Gebäude abgerissen und machte Platz für die Geschäfte von Friseur Willi Verhülsdonk und Metzger Sleuwen. Am 2. September 1968 wurden ihre Geschäfte eröffnet. Von der "Burg" ist keine Spur mehr zu sehen, leider.

(RP)
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