Geldern Auf Augenhöhe Deutsch vermitteln

Geldern · An der Albert-Schweitzer-Schule in Geldern sorgen freiwillige Helfer aus der Nachbarschaft dafür, dass Kinder mit Migrationshintergrund im Unterricht gut mitkommen. Es geht nicht nur ums Lernen, sondern um Akzeptanz.

 Ingrid Leuchten, die in der Nachbarschaft wohnt, hilft in der Albert-Schweitzer-Schule Kindern mit Migrationshintergrund.

Ingrid Leuchten, die in der Nachbarschaft wohnt, hilft in der Albert-Schweitzer-Schule Kindern mit Migrationshintergrund.

Foto: Gerhard Seybert

Konzentriert sitzen die vier Kinder aus drei Nationen vor dem aufgeschlagenen Deutschbuch in der Albert-Schweitzer-Grundschule in Geldern. Ein Lehrer ist nicht in der Nähe, dennoch wird gepaukt. "Ich habe mit Jonut und Rafael gelesen und sie anschließend ein paar Fragen auf dem Arbeitsblatt beantworten lassen", erklärt Martin. Seine Eltern kommen aus Russland. Er geht mit Melissa in die vierte Klasse. Ihre Eltern kommen aus der Türkei. Melissa macht es Spaß, "so etwas wie eine Lehrerin" für Jonut und Rafael zu sein.

Die beiden Brüder kommen aus Rumänien und sind dort bis vor kurzem noch in die erste Klasse gegangen. In Geldern fangen sie ganz neu an — mit der Hilfe ihrer Mitschüler. Die Idee dazu hatte Lehrerin Astrid Windeln. "Egal, ob schwacher oder starker Schüler, jeder kann dem anderen helfen", sagt die Pädagogin. Positiver Nebeneffekt: "Ich hatte noch nie eine Klasse mit einem so guten Sozialverhalten."

Für Schulleiter Klaus Fahrenholz ist die bunte Vielfalt an Schülern mittlerweile Alltag. "Wir hatten bis zu 19 verschiedene Nationen an der Schule, bis zu fünf Nationen in einer Klasse." Ganz neu ist zum Beispiel ein Junge aus Ägypten. "An unserer Schule sind auch Flüchtlinge, in dem Fall Christen aus Ägypten, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden", sagt der Schulleiter. Der Junge bekommt zusätzliche Betreuung. Möglich wird das durch Menschen wie Karin Prante und Ingrid Leuchten. Sie kommen aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Zweimal in der Woche fährt Ingrid Leuchten mit dem Fahrrad zur Schule und setzt sich zu den Kindern in den Unterricht. "Ich springe ein, wo Not am Mann ist, erkläre zum Beispiel Rechenaufgaben, die ein Schüler nicht so gut verstanden hat." Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf den ausländischen Schülern. Schulleiter Fahrenholz ist froh über die professionelle Unterstützung. "Wir brauchen wirklich jemanden, der uns Rückmeldung gibt, wie weit die Kinder tatsächlich im Unterricht mitkommen", sagt er.

Ingrid Leuchten bewundert die Kinder, die aus fremden Länder stammen und sich der neuen Herausforderung stellen müssen. "Ich stelle mir das verdammt schwer vor, in ein fremdes Land zu kommen und vielleicht nur Englisch sprechen zu können", sagt die 74-Jährige, die früher von Beruf Lehrerin war. Keineswegs würden aber nur ausgebildete Pädagogen gebraucht, um den Kindern den Start in das neue Land und die neue Sprache zu erleichtern. "Es geht darum, die Kinder zu integrieren, nicht nur im schulischen Bereich", stellt sie klar. "Es ist nicht nur wichtig, dass sie die Sprache lernen, sondern, dass sich akzeptiert wissen." Deswegen sei die Betreuung am Nachmittag im Offenen Ganztag so wichtig. Dafür werden noch Helfer gesucht. "Wer Arbeiten mit Holz anbieten kann oder einen Kursus im Fahrradfahren ist willkommen. Dabei lernen die Kinder oft mehr, als wenn sie nur trockene Grammatik beigebracht bekommen", sagt die Pädagogin mit einem Schmunzeln. Wichtig ist ihr, dass die Menschen sich von den Vorurteilen über Menschen aus anderen Ländern frei machen.

Mit solchen Sachen haben Martin und Melissa nicht zu kämpfen. Geduldig erklären sie den beiden Brüdern aus Rumänien, wie im Deutschen "Dach" geschrieben wird. Nach ihrer gemeinsamen Lerneinheit sind alle zufrieden. "Es hat Spaß gemacht", sagt Rafael am Ende. "Es war schwierig", findet sein Bruder. "Sie haben es gut gemacht", stellen Melissa und Martin zufrieden fest. So einfach kann Integration sein.

(bimo)
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