Interview Ulrich Janssen Bürgermeister zu Facebook-Affäre: "Ich war es nicht!"

Geldern · Gelderns erster Bürger Ulrich Janssen über Verdächtigungen, juristische und politische Folgen der Online-Abstimmung auf Facebook.

Interview Ulrich Janssen: Bürgermeister zu Facebook-Affäre: "Ich war es nicht!"
Foto: van Offern, Markus

Durch über 200 Stimmen von Ihrem Facebook-Account ist das Konzept Bieber-Kranich-Scholten bei Ihrem Online-Voting auf Platz 1 gelandet. Sie sagen, Sie waren das nicht. Sie bleiben dabei?

Ulrich Janssen Ja.

Viele Menschen glauben Ihnen das einfach nicht.

Janssen Das kann ich verstehen. Der erste Schein ist nun mal der erste Schein.

Und es gibt auch keine Erklärung.

Janssen Das ist schon fast eine bösartige Unterstellung. Es gibt Erklärungsansätze. Mir hat jemand erzählt, wie einfach man Accounts hacken kann. Bis hin zu so genannten ,Remote'-Einstellungen: Da macht jemand etwas an Ihrem PC, jemand kann sich in Ihrem Account bewegen, ohne dass Sie das selber merken. Ich weiß von anderen Facebook-Nutzern, die sagen, dass ihnen das passiert ist. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich weiß nur, was ich nicht gemacht habe.

Sie haben Strafantrag wegen Datenmissbrauchs gestellt. Was konkret ist da Ihr Vorwurf?

Janssen Ich habe einen ,Lebenssachverhalt' an die Staatsanwaltschaft geschickt. Der beginnt mit der Umfrage und endet mit der Anzeige. Da ich es nicht gewesen bin, muss das irgendwie unrechtmäßig passiert sein. Und die Staatsanwaltschaft wird dann gucken, was sie daraus macht.

Der Internet-Blog "Free Geldern Weebly", der sehr kritisch mit Ihnen umgegangen ist, ist seit Dienstag abgeschaltet. Die Autoren haben angedeutet, Ulrich Janssen habe mit juristischen Schritten gedroht. Ist der Blog Ihretwegen nicht mehr im Netz?

Janssen Das weiß ich nicht. Ich weiß noch nicht mal, wer den betreibt. Aber ich habe in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen: Nur, weil man beispielsweise einen Link von anderswo übernimmt, ist man damit nicht aus der Verantwortung. Man macht sich auch strafbar, wenn man Dinge einfach wiedergibt, die nicht richtig sind. Das kann auch mal böse ins Auge gehen.

Aber Sie haben das Abschalten des Blogs nicht veranlasst.

Janssen Nein. Und ich habe keine Veranlassung, irgendjemanden zu bitten, seine Beiträge zurückzunehmen: Man kann sich mit Kritik auseinandersetzen. Ich hätte genügend Gelegenheiten, jemanden nach den Diskussionen im Internet wegen Beleidigung anzuzeigen. Das tue ich aber nicht. Obwohl es da Sachen gibt, die deutlich unter der Gürtellinie sind. Man darf eben nicht alles. Das hat auch mit unserer Werte-Ordnung zu tun.

Den Vorwurf, Sie wollten sich weniger mit Kritik auseinandersetzen als sie stummzuschalten, lassen Sie also nicht auf sich sitzen.

Janssen Da soll man mir mal sagen, wo ich das in elf Jahren als Bürgermeister gemacht haben soll. Da habe ich schon mehr ausgehalten. Und auch im Sinne eines kritischen Gesprächs durchgestanden.

Im Internet kursiert ein Video, das Sie im Rathaus zeigt, offenbar an Ihrem Schreibtisch, mit einer ins Bild montierten Krone. Möchten Sie dazu etwas sagen?

Janssen Das war ein reines Versuchsvideo, über Google-Plus ,Hangout' mal eine Liveschaltung zu machen — statt Skype, denn Google ist weiter verbreitet. Das war vor Karneval. Wir haben Applikationen ausprobiert und dachten, daraus könnte man einen schönen Spot zu Karneval machen. Deswegen das Krönchen. Dann war diese Probe fertig, und ich habe das Video sofort gelöscht. Aber so etwas wird auf dem Youtube-Kanal live übertragen, und in der Zeit hat es offenbar jemand runtergeladen, der es übrigens in der Zwischenzeit auch zurückgenommen hat.

Das Interview, das Sie Sat1 nach der RP-Berichterstattung gegeben haben: Verstehen Sie die Kritik daran?

Janssen So, wie es zusammengeschnitten worden ist, ja. Es ist etwas weggelassen worden, um eine Wirkung zu erzielen. Das nehme ich nicht übel, das gehört zum Geschäft dazu. Ein Punkt wurde herausgenommen, und da verstehe ich die Aufregung wirklich überhaupt nicht: Die Parteien haben den Auftrag, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Das heißt nicht, dass die Parteien den Willen des Volkes bilden sollen. Und ich finde es sehr erstaunlich, dass bei diesem Thema, dem Kapuziner-Karree, keine der Parteien dafür etwas getan hat. Nur die Verwaltung hat Anwohnerversammlungen durchgeführt. Daraus den Dreh zu machen, der Bürgermeister würde nicht diskutieren, ist hanebüchen.

Sie haben die Presse kritisiert: Man wolle Sie in ein schlechtes Licht rücken. Das sehen Sie nach wie vor so?

Janssen Das habe ich bestätigt. Ich kann mit Ihnen auch Ihre Artikel mal durchgehen, dann ziehen Sie mal selber den Schluss.

Denken Sie eigentlich, dass Sie bei der Facebook-Geschichte überhaupt irgendwelche Fehler gemacht haben?

Janssen Das ist meine Umfrage. Alles, was damit zu tun hat, ist meine Verantwortung. Daran habe ich nie zweifeln lassen. Ich habe mich auch für Irritationen entschuldigt, die offenbar durch die Umfrage ausgelöst wurden. Ich weiß nicht, was man in so einer Situation noch mehr machen kann.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft in Geldern? Klappt das noch mit der Wahl? Haben Sie den Rückhalt der Bürger?

Janssen Wenn ich rückschließen soll aus dem, was ich draußen höre, dann würde ich sagen: Ja.

Die CDU will Antworten von Ihnen. Wenn Sie die nicht geben können — bleibt die Partei dann hinter Ihnen?

Janssen Das weiß ich nicht, das muss die Partei entscheiden. Wissen Sie, ich selbst werde meine Unschuld nicht beweisen können. Wenn der Staatsanwalt nichts findet, wird das ausgehen wie's Hornberger Schießen.

Würden Sie auch als Privatmann, also nicht für die CDU, als Bürgermeisterkandidat antreten?

Janssen Das würde ich dann entscheiden, wenn es so weit ist.

Sind Sie froh, dass Ihr SPD-Konkurrent Hejo Eicker in dieser Situation nicht Ihr Gegner ist?

Janssen Ich habe mich nie über Mitbewerber geäußert. Der Beste soll gewinnen.

Es gibt Gerüchte über Unternehmer, die versuchen, auch einen Kandidaten zu stellen. Ist Ihnen das bekannt?

Janssen Nein. Aber das können sie natürlich machen. Das ist lebendige Demokratie.

Sina Zehrfeld und Lutz Küppers führten das Gespräch.

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