Geldern Das Barbaraviertel war mal "Negerdorf"

Geldern · Der Geschichtskreis des Bib forscht über die Historie des Wohnviertels. Es liegt im Osten von Geldern.

 Jeden ersten Donnerstag im Monat trifft sich der Geschichtskreis in den Räumlichkeiten der Bib. Interessierte dürfen jederzeit dazukommen.

Jeden ersten Donnerstag im Monat trifft sich der Geschichtskreis in den Räumlichkeiten der Bib. Interessierte dürfen jederzeit dazukommen.

Foto: Seybert

Die Leute, die sich um den Tisch versammelt haben, haben eines gemeinsam: Das Barbaraviertel ist ihre Heimat. Und sie wollen möglichst viel darüber wissen. "Arbeitskreis hört sich vielleicht zu hochtrabend an, dafür sprechen wir zu viel und arbeiten zu wenig", sagt Hejo Eicker über den Geschichtskreis der Bürgerinitative Barbaraviertel (Bib). Er hat dafür die Lacher auf seiner Seite. Klar ist aber, der Arbeitskreis schafft es immer mehr, Facetten seines Viertels zusammenzutragen. Und auch wenn sie sich seit Februar 2015 regelmäßig treffen, so gebe es noch jede Menge Stoff, der auch gerne kontrovers diskutiert wird, sagt Eicker.

"Das Barbaraviertel wird sehr ambivalent gesehen, von denen, die hier groß geworden sind, mit Stolz", sagt Eicker. Stolz auf die Aufbauleistung, die das Viertel nach den Weltkriegen erlebte. Und das wollen sie gerne auch an die Zugezogenen weitergeben, einen Zusammenhalt stiften.

"Der Neufelder Weg und der Rosenweg sind der historische Ursprung", erklärt Eicker. 1913 wurde eine provisorische Truppenunterbringung im heutigen Barbaragebiet gebaut, lange vor dem Bau der Kaserne am Egmondpark. Platz war dort für 600 Leute. In den 1920er Jahren wurden die Gebäude zu provisorischen Wohnungen. Heute sind die Häuser so individuell gestaltet, dass sie nicht mehr als Kasernengebäude zu erkennen sind.

Prägend waren auch die Bergleute, nach deren Schutzheiliger Barbara der Straßenzug benannt wurde. Heute noch lassen sich an den Häusern die Symbole der Bergleute, etwa eine Laterne am Hausnummernschild, erkennen. Auch die Bergleute waren prägend für das Gebiet. Genauso wie die Zeit, als die Köln-Mindener-Bahn durch das Viertel rauschte. Der Bahnhof ist noch erhalten. Heute sind dort Wohnungen untergebracht.

Geprägt worden ist auch ein Name. "Negerdorf" wurde das Barbaraviertel oft von denen genannt, die in der Innenstadt Gelderns residierten. "Das Barbaraviertel wurde von vielen in Geldern argwöhnisch betrachtet. Es ist eben nicht Innenstadt. Es gab Rivalitäten und Kloppereien", sagt Eicker über die Vergangenheit, und die Älteren am Tisch lächeln und nicken wissend.

Der Begriff "Negerdorf" mache die Rivalität deutlich. Um den Begriff ranken sich einige Legenden, die der Geschichtskreis aber alle widerlegen kann. Eicker spricht von einer sehr emotionalen Diskussion. Eine Behauptung ist, dass die Bergleute nach der Arbeit schwarz vom Kohlenstaub nach Hause zurückkehrten und deswegen der Begriff "Negerdorf" geprägt wurde. Das sei Quatsch, die Bergarbeiter konnten sich auf der Arbeit waschen.

Die andere Entstehungstheorie sieht die Ursache in der belgischen Besatzung, unter der es auch Farbige gab. Der Begriff wurde allerdings schon lange vor der Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg geprägt, durch einen Zeitungsartikel, der die Arbeitersiedlung 1913 als "Transfal" bezeichnete. "Vaal" ist ein Fluss in Südafrika. "Transvaal" bezeichnet das Gebiet jenseits des Flusses Vaal und steht oft für ein Gebiet außerhalb der Stadtmitte. Die Gelderner machten daraus kurzerhand die Bezeichnung "Negerdorf".

Die Bezeichnung Transvaal findet sich auch in anderen Städten, wie Emden oder Den Haag. Walter Schmitt vom Geschichtskreis bringt auch den Kampf gegen die Buren ins Spiel und die damit verbundene Heldenverehrung. Das Thema ist also längst noch nicht zu Ende erforscht.

Währenddessen sitzen zwei Frauen und ein Mann über eine Karte gebeugt und studieren eingehend das Barbaragebiet. Ursula Heisig erzählt "vom ersten Haus jenseits der Vernumer Straße überhaupt" und ihrem Großvater, der auf dem Rosenweg 24 gewohnt hat.

Immer am ersten Donnerstag im Monat trifft sich die Gruppe um 10 Uhr im Treffpunkt des Bib an der Vernumer Straße 25. "Es gibt vielleicht Leute, die wissen mehr und halten sich aber noch zurück", sagt Willi Theis. Alte Fotos, Postkarten, Erinnerungen, alles ist willkommen, um dem Barbaraviertel noch mehr ein Gesicht zu geben.

(RP)
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