Interview: Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (9) Das Ende vom Badeparadies am See

Geldern · Früher war der Holländer See nicht nur für Spaziergänger interessant, sondern glänzte als Badeanstalt. Selbst Spitzensportler sprangen zu Wettkämpfen in das geldrische Wasser. Vorbei war der Spaß, als die Fleuth tiefergelegt wurde.

 Blick auf die alte Badeanstalt am Holländer See, wie sie sich im Jahr 1965 präsentierte.

Blick auf die alte Badeanstalt am Holländer See, wie sie sich im Jahr 1965 präsentierte.

Foto: Heinz Bosch

Der Holländer See heute: Sprungbretter sind entzweigebrochen, und die Erinnerungen an die zahlreichen Schwimmwettkämpfe sind so verblasst wie die Farbe am alten Kassenhäuschen. Der metertiefe Schlamm im See schmerzt zudem die Naturschützer.

Nicht zu glauben, dass in den dreißiger Jahren Gelderns Holländer See eine richtige Sportstätte war. Davon wissen die meisten jungen Leute vermutlich nichts. Aber es ist ein Teil der Geschichte, dass der Andrang immer sehr groß war, wenn der TuS Gelria 09 zu den Wettkämpfen Schwimmer aus der niederrheinischen Region einlud. Schön was los war beispielsweise im Jahr 1936, als die Olympiasiegerin Martha Genenger, ein athletisches Wunder mit zwei sehr starken Armen, am Holländer See an den Start ging. Das war damals eine Sensation. Schwimmathletische Höhepunkte dieser Art waren auch die lokalen Wettkämpfe, bei denen Ferdi Selhorst vor voll besetzten Rängen zugejubelt wurde. In seinen Glanzzeiten schlug der spätere legendäre Schwimmmeister des Parkbads den späteren Schwimm-Europameister Peter Nocke. Ein großes Ereignis war auch der Wettkampf gegen Kevelaer, für den extra Tribünen aufgestellt wurden und die Nationalhymne ertönte. 1500 Zuschauer waren damals Augenzeugen. So ein toller Wettbewerb, da konnten sich die Nachbarvereine eine Scheibe von abschneiden.

Man hat in diesem See später allerdings auch Mitglieder der NSDAP gesehen, die zu den Rennen abkommandiert wurden. Sie konnten sich am Holländer See aber nicht in Szene setzen. Sie machten ziemlich schnell Schluss. Später war dann auch Schluss mit den Wettkämpfen.

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es allerdings noch große Visionen. Um den See sollte ein Stadion entstehen, Tennisplätze und eine Turnhalle. Geldern sollte Sportmetropole werden. Nach dem Krieg sah es schon ganz anders aus. In den fünfziger Jahren entstand zwar das Gelderland-Stadion am See, aber für mehr waren die finanziellen Mittel einfach nicht da.

Der Betrieb der Badeanstalt wurde auch erst im Jahr 1951 wieder aufgenommen. Offiziell, denn die Gelderner nutzten den See auch ohne offizielle Badeaufsicht, um sich zu erfrischen. Hubertus Janssen schreibt über seine Schulzeit, in der er mit seinen Schulkameraden im "Holländer" baden war. Das war 1946. Schwimmen gelernt hat er erst zwei Jahre später, mit Hilfe einer amerikanischen Schwimmweste. Er steht für die vielen Schüler, die froh waren, ein so famoses Freibad in ihrer Nähe zu haben.

Um den "sittlichen und leiblichen Gefahren" beim "wilden Baden" Einhalt zu gebieten forderte der damalige Volksschullehrer P. van Treeck zumindest eine provisorische Wiedereinrichtung der Badeanstalt, die dann 1951 kam. "Das Bad war täglich von sechs Uhr an geöffnet. Montags und mittwochs stand es morgens bis 11 Uhr nur den weiblichen, dienstags und donnerstags nur den männlichen Badegästen zur Verfügung", führt Heinz Bosch in seinem Buch "Illustrierte Geschichte der Stadt Geldern 1848-1969" aus. Der Eintritt betrug damals 15 und 30 Pfennig. Der Betrieb boomte. 1951 besuchten 16 000 Gäste den See, der Sommer 1959 brachte mit 37 000 Badenden einen Besucherrekord. Nur ein Jahr später der Schock: "Gelderns Freibad geschlossen!" Schlamm aus der Fleuth verwandelte den See in ein Moorbad. Noch schlimmer wurde die Situation, als 1967 das Flussbett der Fleuth vertieft wurde. Damit wurde dem See das Wasser abgegraben, der Wasserspiegel sank. Ein letzter Versuch, den See mit Hilfe eines Schwimmbaggers zu entschlammen, scheiterte. 15 000 Mark wurden dafür verschleudert. Die Schwimmer wichen auf das im September 1964 eröffnete Hallenbad aus und frönten ab 1975 in Walbeck dem Schwimmen unter freiem Himmel. Was bleibt: Der Holländer See wird von den Geldernern geschätzt und geliebt. Gäbe es ihn nicht, müsste man auch mit den Liebespärchen trauern.

(bimo)
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