Stadtwerke Geldern Präsentieren Verschwundene Orte (7) Das Geheimnis des Hülser Klosters

Geldern · 1432 von drei Gelderner Jungfrauen errichtet, verlor die Wohnstätte der Schwestern im Zuge der Säkularisierung ihren ursprünglichen Zweck. Es entwickelte sich ein Schulzentrum, später auch Kindergarten und Waisenhaus. 1945 war Ende.

 Bis zur Bombardierung 1945 war das Hülser Kloster viele Jahre Kindergarten. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1935.

Bis zur Bombardierung 1945 war das Hülser Kloster viele Jahre Kindergarten. Hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1935.

Foto: Pollmann

Geldern Es sei schon was ganz Besonderes gewesen, erinnert sich der Gelderner Heinz Bosch an seine Schulzeit an der ehemaligen Jungen-Volksschule (heute Michael-Schule). Zum Milchtrinken wurden die Kinder in der Pause rübergeführt zum früheren Hülser Kloster. Das lag genau gegenüber. Heute ist dort ein Wohnkomplex.

Milch zur Pause bekamen nur die Kinder, deren Eltern sich das leisten konnten. Das war um 1937 herum. Sehr zu seinem Leidwesen legten auch Boschs Eltern Wert auf eine gesunde Ernährung. "Es war für mich keine erfreuliche Angelegenheit, weil ein Teil der Pause dadurch verloren ging", erinnert sich Bosch und schmunzelt.

 Unter dem Hülser Kloster befand sich ein Refektorium.

Unter dem Hülser Kloster befand sich ein Refektorium.

Foto: Stadt Geldern

Das Kloster war zu dem Zeitpunkt längst kein Kloster mehr, sondern Kindergarten. Boschs Generation wird sich noch an "Tante Käthe" erinnern. Kurz vor der Zerstörung 1945 waren in dem Klostergebäude ein Kindergarten und das Waisenhaus untergebracht. "Viele meiner Freunde waren bei Tante Käthe im Kindergarten", sagt Bosch. Tante Käthe hieß eigentlich Käthe Hagelkruys und war keine Ordensschwester. Bis 1945 lebten aber auch noch Schwestern in dem Klostergebäude. Sie betreuten das Waisenhaus. Das Gebäude selbst existierte da schon seit 500 Jahren.

1432 wurde das Kloster durch drei Jungfrauen aus Geldern gegründet. Sie schlossen sich den Regeln des Heiligen Franziskus an. Weil das Gebäude von den Eheleuten Jakob und Margaretha In gen Hüls gestiftet wurde, bekam es den Namen Hülser Kloster. Mit Klöstern war Geldern gut ausgestattet. Es gab fünf Stück. Das Kloster der Karmelitessen gab es 1432 schon. Nah zusammen, aber streng getrennt war das Kloster der Karmeliter. Anfang des 15. Jahrhundert waren die Augustiner im Kloster Nazareth auf dem Ostwall. Im 17. Jahrhundert gab es noch das Kapuzinerkloster. 1671 wohnten im Hülser Kloster 17 Profess-Schwestern. Sie waren feste Mitglieder des Ordens. Mit ihnen zusammen wohnten acht Laien-Schwestern.

Mit Beschluss vom 9. Juni 1802 wurden alle Klöster und Abteien nach einem Beschluss Napoleons aufgehoben. "Das war meines Erachtens eine rein finanzielle Angelegenheit", sagt Bosch. Frankreich brauchte Geld, der Kirchenbesitz sollte verkauft werden. Aber welcher Gelderner wollte schon ein Kloster kaufen? Im Zuge der Säkularisierung wurden Klöster zum Beispiel zu Fabrikbetrieben umfunktioniert.

Das Hülser Kloster war 1806 zunächst Obdach für eine Brigade. Nachdem die Soldaten weitergezogen waren, entwickelte es sich zu einem Schulzentrum. In der Hoch-Zeit, um 1860, waren in den Räumen des ehemaligen Klosters jeweils drei Klassen der katholischen Mädchen- und Jungenschule untergebracht, die evangelische Schule und die Schülerinnen der höheren Töchterschule. "Ein Haus voll mit Schülern", beschreibt es Bosch. Die evangelischen Schüler konnten übrigens die katholische Schule besuchen und umgekehrt. "Das war außerordentlich fortschrittlich", sagt Bosch. Aber das war auch die Zeit vor dem Kulturkampf. 1874 wurde hingegen eine Schulschwester von einer "weltlichen Lehrperson" abgelöst.

Immer wieder wurde die Raumnot im Hülser Kloster beklagt. Die Schullandschaft Gelderns entwickelte sich. Die katholische Elementarschule auf der Hülser-Kloster-Straße wurde gebaut, die evangelische Elementarschule in der Heilig-Geist-Gasse. Ab 1870 wurde in den Räumen des Hülser Klosters auch Kleinkindbetreuung für die Zwei-bis Fünfjährigen angeboten. "Es war praktisch die Eröffnung des ersten Kindergartens in Geldern", sagt der Lokalhistoriker Bosch. Die Betreuung übernahmen die Schwestern "Unserer Lieben Frau" . Für Familien, in denen beide Elternteile berufstätig waren, bot die Kinderbetreuung eine riesige Entlastung. Am 24. November 1897 wurde das Waisenhaus durch die Schwestern eröffnet mit etwa 14 Kindern.

Bereits vor der Zerstörung 1945, infolge der Bombardierung der Innenstadt, hatte das Kloster einige Härten zu überstehen. Am 2. Mai 1547 wurde es durch einen Brand so gut wie vernichtet. 1703 war die Beschießung durch die Preußen. 1735 wurde das Hülser Kloster durch die Druckwelle bei der Explosion des Pulverturms stark beschädigt. Es wurde immer wieder aufgebaut. Nach der Zerstörung 1945 standen nur noch die Grundmauern. Die wurden bei der Entrümpelung abgetragen. Erst hatte die Druckerei Schaffrath an gleicher Stelle ihren Sitz. Heute ist dort ein Wohnblock.

Unter dem Gebäude des Klosters befand sich ein Refektorium, ähnlich wie das der Augustiner. Jenes ist heute noch erhalten und befindet sich unter dem Berufskolleg am Ostwall. Das Refektorium des Hülser Klosters ist verloren. "Eine Sensation" nennt Bosch die Fotos, die er irgendwann einmal bekommen hat und die stumme Zeitzeugen des stillen Rückzugorts sind. Nicht viele Gelderner wüssten von dem Ort unter dem Hülser Kloster. Bosch: "Außer ein paar Kindern, die dort gespielt haben."

Nach 1945 verschwand das Hülser Kloster. Bei einer Kanalsanierung 2008 stießen Arbeiter auf die Grundmauern, Scherben- und Keramikfragmente.

(RP)
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