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Geldern · "Jede Sekunde zählt" hieß es in der Stadthalle Kleve bei der Diskussion über Herzinfarkt, Schlaganfall und die Arbeit des Rettungsdienstes. Die Rheinische Post und das Karl-Leisner-Klinikum hatten zu der Auftaktrunde eingeladen.

 Stefan Derks (l.) moderierte den Abend mit den "Gesundheitsexperten" des Karl-Leisner-Klinikums: Dr. Norbert Bayer, Chefarzt Klinik für Kardiologie, Dr. Klaus-Dieter Willenborg, Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Patient Heinz Venmann und Andreas Derksen, Ärztlicher Leiter des Notfallstandortes Kleve (v.r.).

Stefan Derks (l.) moderierte den Abend mit den "Gesundheitsexperten" des Karl-Leisner-Klinikums: Dr. Norbert Bayer, Chefarzt Klinik für Kardiologie, Dr. Klaus-Dieter Willenborg, Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Patient Heinz Venmann und Andreas Derksen, Ärztlicher Leiter des Notfallstandortes Kleve (v.r.).

Foto: van Offern Markus

Alle drei Minuten erleidet in Deutschland ein Mensch einen Schlaganfall. Jeder Dritte stirbt daran. Entweder direkt oder in der Nachfolge. Ein Drittel der Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, behalten bleibende Schäden, die das Leben und die Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigen. Nur ein Drittel übersteht einen Schlaganfall weitestgehend beschwerdefrei. Es sind erschreckende Zahlen, die Dr. Klaus-Dieter Willenborg, Leiter der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Marienhospital in Kevelaer, in der Klever Stadthalle referiert. Ein Faktor, der entscheidend sein kann, wie beschwerdefrei der Mensch den "Schlag" übersteht, ist die Zeit. "Je schneller wir eingreifen können, desto besser stehen die Chancen", sagt Willenborg.

 Blick in die Stadthalle zur Auftaktveranstaltung "Jede Sekunde zählt" der neuen Veranstaltungsreihe von RP und Karl-Leisner-Klinikum.

Blick in die Stadthalle zur Auftaktveranstaltung "Jede Sekunde zählt" der neuen Veranstaltungsreihe von RP und Karl-Leisner-Klinikum.

Foto: van Offern

Die Zeit: Sie ist nicht nur beim Schlaganfall ein entscheidender Faktor. Auch beim Herzinfarkt läuft der Countdown runter, wenn die ersten Symptome aufgetreten sind: Nach zwei bis drei Stunden nimmt der Herzmuskel keinen Schaden, nach sechs Stunden kann man noch große Teilerfolge verzeichnen, nach 24 Stunden ist das abgestorbene Herzmuskelgewebe nicht mehr zu retten. Deshalb gilt immer, wenn Schlaganfall oder Herzinfarkt-Symptome auftreten: die "112" wählen! "Warten Sie niemals auf den Morgen, erst recht nicht auf den Montag, wenn die Symptome am Wochenende auftreten. Rufen Sie den Notarzt", mahnt eindringlich Dr. Norbert Bayer, Chefarzt der Klinik für Kardiologie in Kleve am St.-Antonius- und in Kevelaer am Marienhospital.

Bayer und Willenborg berichteten in der Klever Stadthalle beim Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe "Die Gesundheitsexperten" vom Katholischen Karl-Leisner-Klinikum und der Rheinischen Post unter der Moderation von Stephan Derks von ihrer Arbeit. Die Besucher lauschten aufmerksam den Vorträgen der Ärzte. Spannend waren die kleinen Einspieler, wie heute mit einem Katheter schnell und effektiv verstopfte Arterien wieder durchlässig gemacht werden, wie sich der Draht des Katheters die Ader entlang schiebt und wie schnell wieder Blut pulsiert. Wie der Patient bei einem Herzinfarkt gleich wieder auf den Beinen ist. Und dass dieser Eingriff inzwischen auch bei einem Schlaganfall schnelle Linderung und vielleicht, wenn der Patient rechtzeitig in der Stroke Unit, hier in der Spezialeinheit des Marienhospitals in Kevelaer, ist, auch Heilung bringen kann.

Das zeigte Willenborg am Beispiel seines Patienten Heinz Venmann. Der Kevelaerer war nach seinem Schlaganfall schnell im Krankenhaus. Dort konnte man mit einem Katheter-Eingriff die verstopfte Ader im Kopf freimachen. Venmann kletterte die steile Treppe vom Zuschauerraum auf die Bühne behende hinauf und berichtete anschaulich von seiner Krankheit. Dabei liegt der Schlaganfall nur ein Jahr zurück. Er hatte das Glück, dass seine Frau sehr schnell erkannte: Hier muss gehandelt werden, das ist ein Schlaganfall! Sie handelte genau richtig und rief den Notarzt.

"Denken sie an die ,W', wenn Sie uns anrufen", sagt Andreas Derksen, ärztlicher Leiter des Notfallstandortes Kleve. Ganz wichtig und direkt am Beginn des Notrufs: Wo ist der Patient? "Selbst wenn dann das Gespräch abbricht, haben wir einen Ort, den wir ansteuern können", sagt der Notarzt. Es folgt das "Was": "Sagen Sie uns unbedingt, wenn Sie den Verdacht auf einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt haben, dann wissen wir, dass der Notarzt direkt mitkommt", sagt Derksen. Und nicht zuletzt: "Warten Sie auf Rückfragen und notfalls auf Anleitungen!" Denn der "Disponent" am anderen Ende der Leitung ist bestens ausgebildet, kann notfalls auch einem Laien Anleitung zur richtigen Wiederbelebung oder anderen wichtigen Handgriffen geben, die helfen können. Derksen mahnte aber auch: "Selbst wenn es gefühlt eine Ewigkeit dauert, bis wir da sind: Bleiben Sie am verabredeten Ort, kommen Sie uns niemals entgegen!"

Er berichtete auch, dass der Arzt nach der Anamnese schon im Notarztwagen die erste Therapie beginnen kann, dass man den Patienten schnell in den Wagen bringe, weil dort alles vorbereitet und die nötigen Apparate sind. Beispielsweise ein EKG, das der Arzt dann gleich an die Klinik weiterleiten kann.

Bayer, Willenborg und Derksen erzählten aus der Praxis so spannend, dass die Zeit im Nu verging. Die Fragen aus dem Publikum zielten vor allem in Richtung Herzinfarkt. So erfuhren die Besucher von Bayer, dass 50 Prozent der Infarkte ohne Vorzeichen auftreten, dass für einen Bypass der Patient nach Duisburg oder in eine andere Spezialklinik verlegt wird, dass man Bio-Stents (ein Stent ist ein medizinisches Implantat zum Offenhalten von Gefäßen) als umstritten ansieht.

(RP)
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